Will Trent 01 - Verstummt
nannte mir eine von ihnen seinen Namen. Und Ormewood ist ja nicht gerade ein häufiger Name, oder? Ich habe ihn zur Rede gestellt, und er hat es nicht geleugnet. Deshalb habe ich gesagt: >Hör mal, entweder du lässt dich versetzen, oder der Lieutenant erfährt davon.< Er hat sich für Ersteres entschieden.«
Will drehte sich wieder um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was für ein Typ ist er?«
»Ein recht ordentlicher Bulle.« Sie steckte sich einen Käsewürfel in den Mund. »Falls das noch was wert ist.« Sie kaute und dachte offensichtlich über seine Frage nach. »Um die Wahrheit zu sagen, gemocht habe ich ihn nie. Ist immer um mich herumgeschlichen, hat mir angeboten, mir zu zeigen, wo's langgeht. Hab ihn abblitzen lassen.«
»Auf deine übliche damenhafte Art.« Er warf Betty einen Käsewürfel zu.
»Du solltest ihr das nicht geben«, sagte Angie. »Sie kriegt Verstopfung davon, und dann hast du die Scheiße.« »Mäßigung.«
»Komm nicht zu mir und wein dich aus, wenn die kleine Ratte anfängt >Copacabana< zu furzen.«
Will warf Betty noch einen Käsewürfel zu, obwohl sie normalerweise nur ein Stück pro Abend bekam. »Erzähl mir mehr von Ormewood.«
Angie zuckte die Achseln. »Erst als er weg war, habe ich gemerkt, wie sehr er mir auf den Geist ging. Führte sich immer auf, als wäre er der große Hecht im Karpfenteich, weißt du. Er ist Kriegsveteran.«
»Hat er mir erzählt.«
»Ja, es ist ihm ziemlich wichtig, dass jeder das weiß.« Sie schaute argwöhnisch zu Betty hinunter. »Auch nach der Versetzung kam er immer wieder zur Sitte, als wäre das sein Zuhause. Mindestens einmal die Woche war er da und hat herumgeschnüffelt und uns von den großen Fällen erzählt, die man ihm jetzt überträgt, als hätte die Tatsache, dass er im Morddezernat ist, seinen Schwanz vergrößert.«
»Er hat eine ziemlich gute Aufklärungsquote.«
»Besser als deine?«
Will fragte: »Glaubst du, dass er immer wieder vorbeikam, weil er Angst hatte, du würdest deine Meinung in Bezug auf seine außerplanmäßigen Aktivitäten ändern?«
»Ich glaube, es hat ihn einfach ziemlich gewurmt, dass ich die Oberhand behalten habe.« Sie lächelte ihr süßes Lächeln, was bedeutete, dass sie etwas von ihm wollte. »Na komm, Baby. Deine Aufklärungsquote ist doch besser als seine, oder?«
»Lass uns über Ormewood reden.«
Sie tat so, als würde sie schmollen, hielt es aber nicht lange durch. »Ich hab's dir ja schon gesagt - Michael hat gern die Kontrolle.«
»Für mich scheint er ganz in Ordnung zu sein.«
»Kerle sehen das nicht, aber es ist da, direkt unter der Oberfläche. Glaub mir, du kannst jede Frau fragen, und sie wird dir sagen, dass er ein Kontrollfreak ist, nachdem sie nur zehn Minuten mit ihm verbracht hat.«
»Okay.« Das war kein ungewöhnlicher Charakterzug für einen Polizisten, und Will hatte es schon oft erlebt. »Mir ist aufgefallen, dass er ziemlich konkurrenzbewusst ist.«
»Das ist ein Understatement«, entgegnete sie. »Er ließ sich versetzen, aber er konnte es einfach nicht verwinden, dass ich ihn geschlagen hatte. Er taucht immer am Ende meiner Schicht auf, direkt nachdem ich meine Berichte getippt habe.«
»Liest er sie?«
»Ich würde ihm seinen verdammten Schwanz ausreißen, wenn er es täte.« Sie schob sich noch ein Stück Käse in den Mund. »Aber ich glaube, wenn ich ihn auch nur fünf Sekunden allein ließe, dann würde er meinen Schreibtisch auf den Kopf stellen.«
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»Ist er aufbrausend?« »Nicht mehr als wir alle.«
Will fragte sich, was sie damit meinte, ging aber nicht weiter darauf ein. »Klingt, als wollte er nur dafür sorgen, dass du ihm keine Knüppel zwischen die Beine wirfst.«
»Könnte sein.« Sie kaute und behielt ihre Gedanken für sich.
Will betrachtete sie und versuchte zu erraten, was sie verbarg.
Angie war jemand, der immer etwas in der Hinterhand behielt. Auch nach all diesen Jahren wusste Will nicht, ob sie das mit Absicht tat oder ob es nur ein Schutzmechanismus war. Da gab es Lügen, aber auch etwas, das er als Überlebensinstinkt betrachtete. Er war der letzte Mensch auf dieser Welt, der ihr das zum Vorwurf machen konnte.
Will sagte: »Ormewood schien über die Sache mit seiner Nachbarin heute Nachmittag sehr bestürzt gewesen zu sein.«
»Er mag Kinder wirklich«, meinte sie. »Sein Sohn hat irgendeine geistige Behinderung, aber ich habe ihn einmal getroffen, und er ist wirklich süß. Seine Frau wirkt ziemlich kalt, aber das
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