Will Trent 02 - Entsetzen
provisorischen Bühne am anderen Ende des schmalen Raums ausgerichtet waren. Er wollte sein Bild nicht in der Zeitung sehen. Er wollte nur, dass der Entführer Abigail Campano sah, ihre tief in den Höhlen liegenden Augen und die aufgesprungenen Lippen, ihre schmächtigen Schultern. Er wollte, dass der Mann, der Emma Campano verschleppt hatte, sah, was er ihrer Mutter angetan hatte.
Es entstand Unruhe unter den Reportern, während Amanda sich viel Zeit nahm, um das Mikrofon korrekt einzustellen und die vorbereitete Verlautbarung auseinanderzufalten. Es waren insgesamt etwa fünfzig Reporter, die meisten davon Männer, und in ihrer Gesamtheit verströmten sie in dem beengten Raum einen leicht unangenehmen Geruch.
Die Klimaanlage machte die Sache auch nicht besser, und heiße Luft strömte durch ein kaputtes Fenster herein wie die Hitze einer Flamme. Es waren kaum Neuigkeiten über den Fall durchgesickert, weil keiner in Amandas Team so dumm war, den Mund aufzumachen. So waren die Medien sich selbst überlassen gewesen, und aus dem, was er heute Morgen im Radio gehört hatte, entnahm er, dass sie jetzt über das berichteten, was andere Sender berichteten.
Ohne Vorrede fing Amanda an, die Erklärung zu verlesen. »Die Belohnung für die Informationen, die zur wohlbehaltenen Rückkehr von Emma Campano führen, wurde auf einhunderttausend Dollar erhöht.« Sie nannte die Einzelheiten - gebührenfreie Nummer, garantierte Anonymität des Anrufs. »Wie Sie bereits wissen, ist Emma Eleanor Campano ein siebzehnjähriges Mädchen, das eine Privatschule außerhalb der Stadt besucht. Emma wurde vor drei Tagen zwischen elf Uhr vormittags und zwölf Uhr mittags aus ihrem Haus verschleppt. Gegen zehn Uhr dreißig gestern Vormittag hat ein Mann, der behauptete, Emmas Kidnapper zu sein, angerufen. Eine Lösegeldforderung wurde gestellt. Wir warten noch auf Details und werden Sie morgen früh zur selben Zeit informieren. Ich werde jetzt eine Erklärung verlesen, die von Abigail Campano, Emmas Mutter, verfasst wurde.«
Die Kameras blitzten wie verrückt, und Will sah, dass Abigail die Rückwand des Raums nach ihm absuchte. Er richtete sich noch ein bisschen mehr auf, seine Größe war hier ein natürlicher Vorteil. Schließlich fand sie ihn, und in ihren Augen konnte er das Entsetzen lesen.
Vielleicht hatte Will in letzter Zeit zu viel Zeit mit Amanda verbracht. Er war froh, das Entsetzen zu sehen, froh, dass die Kameras die Angst dieser Frau dokumentierten. Im Gesichtsausdruck der Mutter konnte man jede Sekunde der letzten drei Tage erkennen - die schlaflosen Nächte, die Streitereien mit ihrem Mann, das absolute Grauen des Geschehenen.
Amanda las: »>An den Mann, der Emma hat: Ich möchte Ihnen sagen, dass wir - ihr Vater und ich - Emma lieben und vergöttern und dass wir alles tun werden, was Sie wollen, damit unsere Tochter zu uns zurückkehrt. Emma ist erst siebzehn Jahre alt. Sie mag Eiscreme und schaut mit uns an Familienabenden gern Wiederholungen von >Friends<. Ihr Vater und ich haben kein Interesse an Rache oder Bestrafung. Wir wollen einfach nur Emma zurückbekommen.<« Amanda schaute über ihre Brille hinweg. »>Bitte geben Sie uns Emma zurück.<« Sie faltete das Blatt zusammen. »Ich werde jetzt ein paar Fragen beantworten.«
Ein lokaler Reporter rief: »Abby, wie hat es sich angefühlt, zu töten ...«
»Die Regeln, bitte.« Amanda unterbrach ihn. »Denken Sie daran, alle Fragen direkt an mich zu richten.«
Der Reporter gab nicht auf. »Werden Sie Anklage gegen Abigail Campano wegen des Mordes an Adam Humphrey erheben?«
»Wir haben im Augenblick nicht vor, eine Anklageerhebung zu betreiben.«
Abigail starrte Will ausdruckslos an, als würde sie sich über diese Zweideutigkeit keine Gedanken machen. Paul schien große Mühe zu haben, den Mund zu halten.
Ein anderer Reporter fragte: »Welche Hinweise haben Sie im Augenblick? Gibt es irgendwelche Verdächtige?«
»Es ist doch offensichtlich, dass wir diese Ermittlung mit ganzer Kraft betreiben. Details kann ich Ihnen leider keine nennen.«
Eine weitere Frage wurde gestellt. »Sie haben um die Westfield Academy herum Polizisten postiert. Befürchten Sie, dass dies das Werk eines Serienmörders ist?«
Der Serienmörderaspekt war ein heißes Thema in den Talkshows. Die Wanderer-Morde im Januar waren jedem noch deutlich in Erinnerung.
Amanda antwortete: »Zum gegenwärtigen Augenblick zeigt dieser Fall absolut keine Merkmale eines Serienfalls.«
Will spürte,
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