Will Trent 02 - Entsetzen
einen Schlüsselbund und einen Stapel Fotos, auf den sie jetzt die Finger legte, ihn aber nicht herausnahm. Stattdessen zog sie ein Papiertaschentuch von ganz unten heraus und wischte sich damit die Nase ab. »Wie kann ich denn nicht hinsehen? Wie kann ich denn nicht jeden abscheulichen Satz wiederholen, der denen aus dem Mund kommt?«
Will wusste nicht, welche Antwort von ihm erwartet wurde, deshalb sagte er nichts.
Wieder einmal schallte Pauls allgegenwärtiges »Leck mich« durch den Gang. Amanda dagegen sprach leise, fast flüsternd, dennoch war das Eis in ihrer Stimme auch über die Entfernung zu spüren.
Abigail sagte: »Ich mag Ihre Chefin.«
»Das freut mich.«
»Sie hat eine Erklärung für mich geschrieben.«
Will wusste das bereits. Amanda hätte es der Mutter nie zugetraut, eine Bitte für die Freilassung ihrer Tochter zu formulieren. Ein falsches Wort konnte eine völlig falsche Botschaft übermitteln, und dann würde sie plötzlich nicht mehr eine Entführung bearbeiten, sondern einen Mordfall.
»Sie lügt mich nicht an«, sagte Abigail. »Lügen Sie mich an?«
»Worüber?«
»Werden mich die Journalisten nach Adam fragen?«
»Wenn sie ihren Job gut machen - ja. Sie werden es versuchen. Aber denken Sie daran, Sie sind nicht hier, um Fragen zu beantworten. Die Reporter kennen die Grundregeln. Das heißt nicht unbedingt, dass sie sich auch daran halten, aber Sie müssen es. Lassen Sie sich von denen nicht ködern. Lassen Sie sich nicht in eine Situation zwingen, in der Sie sich selbst erklären müssen oder etwas sagen, das später gegen Sie verwendet werden könnte.«
»Ich habe ihn getötet. In jedem Sinn dieses Wortes habe ich ihn ermordet.«
»Das sollten Sie zu einem Polizisten wahrscheinlich nicht sagen.«
»Ich war mal Anwältin«, sagte sie. »Ich weiß, wie das funktioniert.«
»Wie?«
»Alles hängt davon ab, wie es von jetzt ab weitergeht, nicht? Ob man mich anklagen wird oder nicht. Ob Emma wohlbehalten zurückkommt oder ob sie ...« Abigail schniefte und wischte sich wieder die Nase ab. »Ob die Medien zu mir halten, oder ob sie mich als eine kaltblütige Mörderin hinstellen, ob die Eltern auf eine Strafverfolgung drängen ... so viele Möglichkeiten.«
Will versicherte ihr: »Ich werde Sie wegen nichts anklagen.«
Abigail deutete auf Amanda. »Aber sie vielleicht.«
Will musste sich eingestehen, dass sie damit nicht ganz unrecht hatte. »Ich bin nicht in der Position, Ihnen einen Rat zu geben, aber Sie tun sich selbst keinen Gefallen, wenn Sie so reden.«
»Er war doch noch ein Kind. Er hatte das ganze Leben noch vor sich.« Sie presste die Lippen zusammen und gestattete sich einen Augenblick, um ihre Gedanken zu sammeln. »Denken Sie an all die Dinge, die ich ihm genommen habe - und seinen Eltern. Sie haben jetzt nichts mehr. Nur achtzehn Jahre und dann nichts.«
Will war sich nicht sicher, was er an ihrer Stelle sagen würde, aber er fragte sich, ob Abigail sich deshalb so sehr auf Adam Humphrey konzentrierte, weil die Alternative - sich auf das Schicksal ihrer Tochter zu konzentrieren - für sie einfach unerträglich war.
Sie fragte: »Was soll ich den Reportern sagen, wenn sie mich nach Adam fragen?«
»Gar nichts«, antwortete er. »Wir haben ihnen von Anfang an gesagt, dass alle Fragen ausschließlich an Amanda zu richten sind. Sie werden sich natürlich nicht daran halten, aber Sie müssen nicht mit ihnen reden.«
»Was ist, wenn ich es will?«
»Was würden Sie sagen?«, fragte Will. »Denn wenn es diese Überlegungen sind, die Sie eben mir gesagt haben, dann nageln die Journalisten Sie noch vor dem Abend ans Kreuz.« Er fügte hinzu: »Wenn Sie sich selbst bestrafen wollen für das, was mit Adam Humphrey passiert ist, dann nehmen Sie irgendwelche Pillen oder versuchen Sie es mit Heroin. Dann wären Sie immer noch besser dran, als wenn Sie sich den Medien auf Gedeih und Verderb ausliefern.«
»Sie sind wirklich ehrlich.«
»Ich schätze, das bin ich«, gab Will zu. »Schützen Sie sich für Emma. Wenn Sie für sich selbst nicht stark sein können, dann seien Sie stark für sie.«
»Ich kann es nicht mehr hören, dass alle Leute sagen, ich soll stark sein.«
Will fragte sich, was man sonst noch sagen konnte - sei schwach? Werf dich auf den Boden? Zerreiße deine Kleider? Schreie? All dies schienen offensichtliche Reaktionen zu sein, die eine normale Frau zeigen könnte, aber vor den Kameras waren sie auf jeden Fall nicht gut.
Abigail sagte: »Ich bin
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