Will Trent 02 - Entsetzen
normalerweise nicht so melodramatisch. Ich habe Angst, ich könnte ...« Sie schüttelte den Kopf. »Was, wenn er mich im Fernsehen sieht und auf den Gedanken kommt, dass Emma es verdient hat? Was, wenn ich etwas Falsches mache oder nicht kummervoll genug aussehe oder zu kummervoll oder ...«
»Sie dürfen nicht weiter dieses Spiel in Ihrem Kopf spielen.«
»Spiel?«, fragte sie. »Ich will, dass das alles ein Spiel ist. Ich will morgen früh aufwachen und Emma antreiben, sie soll sich für die Schule fertig machen. Ich will meinen Mann anschreien, weil er so wild herumvögelt. Ich will Tennis mit Freundinnen spielen und Dinnerpartys geben und mein Haus verschönern und die Affären meines Manns ignorieren und ...« Ihre Fassung hatte länger gehalten, als er erwartet hätte, doch jetzt ging sie allmählich in die Brüche. Es fing mit ihrem Mund an - ein leichtes Zittern der Oberlippe, das sich wie ein Tick über ihr Gesicht ausbreitete. »Ich will mit ihr tauschen. Mit mir kann er machen, was immer er will. Mich ficken, wohin er will, mich schlagen, mich verbrennen.« Jetzt flossen die Tränen. »Sie ist doch noch ein Kind. Sie hält das nicht aus. Sie wird es nicht überleben ...«
Als er ihre Hand nahm, spürte Will die Peinlichkeit dieser Geste. Er kannte diese Frau nicht und war auf jeden Fall nicht in der Position, sie zu trösten. »Emma lebt«, sagte er zu ihr. »Daran müssen Sie sich festhalten. Ihre Tochter lebt.«
Es war zwar kaum möglich, aber die Situation wurde noch peinlicher. Sanft entzog sie ihm ihre Hand. Sie strich sich mit den Fingern unter den Augen entlang auf diese magische Art, wie Frauen es machen, um den Lidstrich nicht zu verwischen. Völlig unerwartet fragte sie: »Woher kennen Sie meinen Mann?«
»Wir haben uns vor sehr langer Zeit kennengelernt.«
»Waren Sie einer der Jungs, die ihn schikaniert haben?«
Will merkte, dass sein Mund aufging, aber er fand nicht die Worte für eine Antwort.
»Mein Mann redet nicht viel über seine Kindheit.«
Will hätte ihr einige Geschichten erzählen können. Stattdessen sagte er: »Das ist wahrscheinlich auch gut so.«
Abigail schaute ihn an - schaute ihn zum ersten Mal, seit sie sich kennengelernt hatten, wirklich an. Er spürte ihren Blick über die Narben auf seinem Gesicht wandern, die rosige Linie, wo man seine Lippe so schlimm aufgerissen hatte, dass nicht mehr genug Haut übrig war, um sie wieder sauber zusammenzunähen.
Ihr Blick war so intim, dass er fast wie eine Berührung war.
Danach schauten sie beide verlegen weg. Will sah auf die Uhr, um zu kontrollieren, ob die Batterie noch funktionierte. Abigail stöberte in ihrer Handtasche.
Schritte hallten über den Fliesenboden, als Hoyt, Amanda und Paul zurückkamen. Paul sah eindeutig besiegt aus, und Will wünschte sich, er hätte mehr auf dieses Gespräch geachtet. Schweigend nahm Paul die Hand seiner Frau und legte sie sich auf den Arm.
Amanda sagte zu Hoyt: »Vielen Dank«, und gab ihm die Hand. Er küsste seine Tochter auf die Wange, gab Paul einen Klaps auf die Schulter und ging zum Ausgang. Will vermutete, dass die Arbeit des Millionärs getan war.
Amanda ergriff Abigails beide Hände. Die Natürlichkeit dieser Geste war überraschend, aber Frauen - sogar Amanda - war so etwas gestattet. »Kopf hoch«, sagte sie. »Sie dürfen sie nicht sehen lassen, dass Sie kurz vor dem Zusammenbruch sind.«
Will nagte an seiner Unterlippe. Er wusste, dass Amanda auf das genaue Gegenteil hoffte. In Situationen wie dieser konnte die Karte der bekümmerten Mutter nicht oft genug ausgespielt werden. Paul war einfach nur ein Accessoire. Da Will wusste, wie solche Dinge funktionierten, vermutete er, dass die Hälfte der Leute, die diese Geschichte verfolgten, den Vater für die Wurzel allen Übels hielten. Wenn Abigail zu stark wirkte, würde man auch sie auf die Liste der Verdächtigen setzen. Dann gab es natürlich noch die eine Meinung, die wirklich wichtig war - diejenige der Person, die Emma Campano gefangen hielt. Wenn der Entführer den Eindruck hatte, die Eltern seien unwürdig, dann überlegte er es sich vielleicht zweimal, ob er Emma wirklich freilassen sollte.
»In diese Richtung«, sagte Amanda und deutete zum anderen Ende des Gangs. Sie öffnete die Tür zum Presseraum, und Lichter blitzten wie ein Stroboskop, sodass sie alle für Sekunden geblendet waren.
Will stellte sich neben die Tür und schaute, ob wirklich alle Kameras auf Amanda und die Campanos auf dem Weg zur
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