Will Trent 02 - Entsetzen
sie hierher, damit sie Sie sehen kann.«
Warren flüsterte weiter, seine Lippen bewegten sich in einem unverständlichen Mantra.
Will sagte: »Sprechen Sie lauter, Warren. Sagen Sie uns, wo sie ist, damit wir sie ihren Eltern zurückbringen können, die sie lieben.«
Schließlich verstand Faith, was Warren murmelte. »Blau, rot, lila, grün. Blau, rot, lila, grün.«
»Warren ...«
Seine Stimme wurde lauter. »Blau, rot, lila, grün.« Er stand auf, schrie: »Blau, rot, lila, grün!« Er fuchtelte mit den Händen, seine Stimme brach beinahe. »Blau! Rot! Lila! Grün!« Er rannte auf die Tür zu, rüttelte am Knauf. Faith stand ihm am nächsten, deshalb versuchte sie, ihn wegzuzerren. Warrens Ellbogen traf sie am Mund, und sie fiel gegen den Tisch.
»Blau! Rot! Lila! Grün!«, schrie er und rannte mit Wucht gegen die Betonwand. Will stürzte hinter ihm her und schlang seine Arme um ihn. Warren trat aus und schrie: »Nein! Lassen Sie mich los! Lassen Sie mich los!«
»Warren!« Will ließ ihn los, hielt aber die Hände vorgestreckt, für den Fall, dass er ihn noch einmal packen musste.
Warren stand mitten im Zimmer. Wo er mit dem Kopf gegen die Wand geknallt war, lief ihm Blut aus der Wunde übers Gesicht. Wild die Fäuste schwenkend, sprang er Will an.
Die Tür flog auf, und zwei Polizisten stürzten herein. Warren versuchte, zur Tür hinauszurennen, aber sie warfen ihn zu Boden, wo er sich heftig wehrte, seine Hände wegriss, als sie versuchten, ihm Handschellen anzulegen, und die ganze Zeit schrie. Er trat mit einem Fuß aus und traf einen der Beamten im Gesicht.
Der Taser kam zum Einsatz. Dreißigtausend Volt rasten durch seinen Körper. Fast augenblicklich lag Warren schlaff auf dem Boden.
Will kauerte sich auf die Hacken, sein Atem ging stoßweise. Er beugte sich, die rechte Hand auf der Brust, über Warren. »Bitte«, flehte er. »Sagen Sie es mir. Sagen Sie mir, wo sie ist.«
Warrens Lippen bewegten sich. Will beugte sich tiefer, um etwas zu verstehen. Offensichtlich fand zwischen den beiden Männern ein Austausch statt. Will nickte, fast so wie Warren bei seinen knappen Bestätigungen. Er setzte sich langsam auf, legte die Hände in den Schoß und sagte zu den Uniformierten: »Bringen Sie ihn weg.«
Faith schaute Will an, versuchte, zu verstehen. »Was hat er Ihnen gesagt?«
Er deutete auf die Mappen auf dem Tisch und beugte sich wieder vor, als wäre er noch zu atemlos zum Sprechen. Faith schaute sich die Mappen an. Sie lagen inzwischen in der falsehen Reihenfolge da, aber jetzt sah Faith es: blau, rot, lila, grün.
Warren hatte die Farben der Mappen geschrien.
Das Morddezernat hatte sich in den drei Tagen von Faiths Abwesenheit nicht verändert. Noch immer hing Robertsons Suspensorium an seiner obersten Schreibtischschublade. Auf dem Aktenschrank saß eine Sexpuppe, die jemand bei der letzten Geburtstagsfeier mit »Beweismittel« beschriftet hatte, der Mund noch immer ein verführerisches O, obwohl dem kurvenreichen Körper langsam die Luft ausging. Leo Donnellys Schreibtisch war geräumt bis auf das berühmte, alte Foto von Farah Fawcett, das er offensichtlich aus einem Magazin ausgeschnitten hatte. Im Lauf der Jahre waren die Ränder des Fotos mit Graffiti und Kritzeleien verschönert worden, die eher in die Jungentoilette einer Schule gepasst hätten.
Zusätzlich zu der überwältigend männlichen Aura war gerade Schichtwechsel, ein Ereignis, das Faith immer mit der Halbzeitpause in einer Footballkabine verglich. Der Lärm war ohrenbetäubend, die Gerüche beängstigend. Jemand hatte den von der Decke hängenden Fernseher eingeschaltet. Ein anderer versuchte, auf dem uralten Radio einen Sender zu finden. In der Mikrowelle wurde ein Burrito erhitzt, der Geruch verbrannten Käses wehte durch die Luft. Baritongebell erfüllte den Raum, während Detectives herein- und hinausmarschierten, Fälle übergaben, wetteiferten, wer den längeren Schwanz hatte, wer einen Fall zuerst lösen würde, wer eine Ermittlung knacken würde, die bis jetzt unlösbar erschien. Kurz gesagt, der ganze Saal füllte sich mit Testosteron, wie sich eine Stoffwindel mit Scheiße füllte.
Faith schaute zum Fernseher, als sie Amandas Stimme erkannte, die eben sagte: »... mit Stolz bekannt geben, dass im Entführungsfall Campano eine Verhaftung vorgenommen wurde.«
Jemand schrie: »Dank dem APD, du Fotze.«
Es wurden noch mehr derartige Wörter in Amandas Richtung geschleudert - Schlampe, Nutte, alles, was den
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