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Will Trent 02 - Entsetzen

Will Trent 02 - Entsetzen

Titel: Will Trent 02 - Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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verkehrt herum gehalten hatte.
    Sie griff zu ihrem Handy und wählte die Nummer, steckte sich dabei den Finger ins andere Ohr, um den Lärm auszublenden. Das Telefon klingelte einmal, zweimal, dann meldete sich ein örtliches Kino und nannte die Anfangszeiten der nächsten Filme. Hier also nichts umwerfend Neues. Die sechs Millionen Kinokarten in einem Karton zu Faiths Füßen bewiesen seine Leidenschaft für die Leinwand.
    Faith wandte sich wieder den Fotos zu und versuchte, einen Hinweis aufzuspüren, der zu dem vermissten Mädchen führen könnte. Alles, was sie sah, war ein trauriges Einzimmer-Apartment, in dem Warren sein ganzes Erwachsenenleben verbracht hatte. Es gab keine Fotos seiner Familie, keine Kalender mit Terminen für Abendessen mit Freunden. Allem Anschein nach hatte er keine Freunde, niemanden, an den er sich wenden konnte.
    Das war jedoch keine Entschuldigung. Nach eigenem Eingeständnis war Will unter ähnlichen Umständen aufgewachsen. Er hatte in staatlicher Obhut gelebt, bis er achtzehn Jahre alt wurde. Er war Polizist geworden - noch dazu ein verdammt guter. Seine sozialen Fähigkeiten ließen ein wenig zu wünschen übrig, aber unter seiner ganzen Unbeholfenheit war etwas, das merkwürdig liebenswürdig war.
    Oder vielleicht war es etwas, das ihre Mutter ihr vor Jah ren gesagt hatte: Ein Mann schaffte es am einfachsten ins Herz einer Frau, wenn sie sich vorstellte, er sei wie ein Kind.
    Faith klickte noch einmal durch die Fotos und versuchte, irgendetwas Auffallendes zu finden. Sie ging die üblichen Verdächtigen durch: eine Garage, ein Lagerraum, eine alte Familienhütte in den Wäldern. Nichts davon schien ein mögliches Versteck zu sein, das Warren benutzen könnte. Er hatte kein Auto, keine zusätzlichen Besitztümer, die verstaut werden mussten, keine Familie.
    Irgendetwas musste doch zu finden sein. Es musste einen Weg zu Emma geben, der sich bis jetzt noch nicht gezeigt hatte. In weniger als zwölf Stunden war Evan Bernard auf Kaution wieder auf freiem Fuß. Er war dann erneut auf der Straße und konnte bis zu seinem Prozess wegen sexuellen Missbrauchs von Kayla Alexander tun und lassen, was er wollte. Wenn sie nichts fanden, was ihn mit den Verbrechen im Haus der Campanos in Verbindung brachte, hatte er nicht mehr zu erwarten als einen Klaps auf die Hand, wahrscheinlich drei Jahre im Gefängnis, und dann würde er sein Leben zurückerhalten.
    Und was würde er dann tun? Für einen Mann mit Interesse an jungen Mädchen gab es zu viele andere Möglichkeiten, sich ein Opfer zu suchen. Kirchen. Nachhilfeunterricht. Jugendgruppen. Wahrscheinlich würde Evan Bernard den Staat verlassen. Vielleicht würde er es an seinem neuen Wohnort versäumen, sich als Sexualstraftäter registrieren zu lassen. Vielleicht suchte er sich eine Wohnung in der Nähe eines Schwimmbads oder einer Highschool oder sogar eines Tagesbetreuungszentrums. Warren Grier würde nie und nimmer den Mund aufmachen. Welche Macht Bernard über den jungen Mann auch haben mochte, sie war nicht zu durchbrechen. Das Einzige, was Faith und Will getan hatten, war, Bernard das Leben von jetzt an schwieriger zu machen. Sie hatten absolut nichts gefunden, um ihn für den Rest seines elenden Lebens hinter Gitter zu stecken, und nichts, was ihnen einen Weg zu Emma Campano wies.
    Dazu kam noch, dass Faith wusste, wie solche Typen gern arbeiteten. Bernard hatte dieses Mädchen in Savannah vergewaltigt, aber das konnte unmöglich sein erstes Mal gewesen sein, und Kayla würde nicht das letzte Opfer sein. War irgendwo da draußen noch ein anderes Mädchen, das er für seine kranken Fantasien abrichtete? Gab es noch ein Mädchen, dessen Leben durch diesen perversen Bastard völlig durcheinandergebracht werden würde?
    Faith legte die gefrorene Tüte weg und bewegte den Unterkiefer, um festzustellen, ob es irgendeinen dauerhaften Schaden gegeben hatte. Sie legte die Hand ans Gesicht, und ungewollt erinnerte sie sich daran, wie Victor ihr über die Wange gestrichen hatte. Er hatte sie dreimal auf ihrem Handy angerufen, und jede Nachricht hatte bedrückter geklungen. Letztendlich hatte er sich auf unverblümte Schmeichelei verlegt, was, wenn sie ehrlich war, viel dazu beigetragen hatte, sie schwach werden zu lassen. Faith fragte sich, wann sie je in ihrem Leben die Männer verstehen würde.
    Will Trent war mit Sicherheit ein Rätsel. Die Art, wie er im Verhörzimmer mit Warren gesprochen hatte, war so intim gewesen, dass Faith ihm nicht hatte

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