Will Trent 02 - Entsetzen
behutsam auf den Boden. Dann stand er da und horchte auf Lebensgeräusche. Doch er hörte nur Faith unten herumgehen und das Haus unter der Hitze ächzen, die das Holz durchdrang.
Will roch Marihuana und Chemikalien. Hier könnte auch ein Meth-Labor sein. Hinter einer der Türen könnte sich ein Junkie verstecken und nur darauf warten, Will mit einer Nadel zu stechen. Er machte einen Schritt vorwärts, zerbrochenes Glas knirschte. Hier oben gab es vier Schlafzimmer und ein Badezimmer. Die Tür am Ende des Gangs war geschlossen. Alle anderen Türen waren ausgehängt worden, wahrscheinlich, um sie als Altholz zu verkaufen. Im Bad waren alle Armaturen verschwunden, die Kupferröhren aus den Wänden gerissen. In die Decke waren Löcher geschlagen. Der Verputz neben den Lichtschaltern war aufgerissen, wahrscheinlich hatte jemand nach Kupferdrähten in der Wand gesucht. Die Verdrahtung war Aluminium, wie Will sah, die Art, die er aus seinem eigenen Haus herausgerissen hatte, weil die Bauvorschriften sie seit Jahren nicht mehr erlaubten.
Faith flüsterte: »Will?« Sie kam die Treppe hoch. Er wartete, bis sie bei ihm war, und deutete dann auf die geschlossene Tür am Ende des Gangs.
Vor dieser einzigen Tür blieb Will stehen. Er drehte den Knauf, doch es war abgeschlossen. Er bedeutete Faith zurückzutreten, hob dann den Fuß und trat die Tür auf. Will kniete sich hin und richtete die Waffe blindlings ins Zimmer. Der Strahl von Faiths Taschenlampe schnitt wie ein Messer durch die Dunkelheit, tastete die Ecken, den offenen Wandschrank ab.
Das Zimmer war leer.
Sie steckten beide ihre Waffen ein.
»Das ist genauso wie die anderen.« Faith leuchtete die ausgebleichten rosa Wände an, die schmutzig weißen Zierleisten. Auf dem Boden lag eine Doppelmatratze, in der Mitte blühten dunkle Flecken. Davor stand ein Stativ mit einer Kamera.
Will nahm die Taschenlampe und suchte nach der Speicherkarte. »Leer«, sagte er. »
»Wir sollten Charlie rufen«, sagte Faith, wahrscheinlich, weil sie an die Spuren dachte, die gesichert werden mussten, und die DNS auf der Matratze.
»Er wird kaum so dumm gewesen sein, Spuren von sich selbst zu hinterlassen«, sagte Will. Evan Bernards blasiertes Gesicht ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Der Mann war so sicher, dass man ihn nie kriegen würde. Er hatte recht. Im Augenblick konnten sie Bernard nichts anderes anlasten als den sexuellen Verkehr mit Kayla Alexander. Will wusste nicht, wie lang die Verjährungsfrist in Mary Clarks Fall war, und er war sich auch nicht sicher, ob sie gegen einen Mann aussagen würde, den sie in vielerlei Hinsicht noch immer als ihren ersten Liebhaber betrachtete.
Ein Scharren war zu hören. Will drehte den Kopf, um zu sehen, was Faith machte, aber sie stand bewegungslos mitten im Zimmer. Wieder hörte er das Scharren, und diesmal erkannte er, dass es von der Decke kam.
Mit den Lippen formte Faith: Junkie?
Will ließ den Strahl der Taschenlampe über die Decke wandern und kontrollierte jede Ecke des Zimmers. Wie im Rest des Hauses war auch hier der Verputz an den Lichtschäkern aufgerissen. Um das Loch herum sah Will einen dunklen Fleck, vielleicht einen Fußabdruck. Über seinem Kopf war ein dunkles Loch, Isoliermaterial und Gipskarton hing in Fetzen herab.
»Emma?« Er erstickte beinahe an dem Namen des Mädchens, hatte Angst, ihn auszusprechen, sich selbst Hoffnung zu machen. »Emma Campano?« Er stieß die Faust in die Decke. »Hier ist die Polizei, Emma.«
Weder war Scharren zu hören, deutlich das Geräusch von Ratten.
»Emma?« Will streckte die Hand nach oben, riss Gipskartonbrocken von der niederen Decke. Seine Hände arbeiteten nicht schnell genug, deshalb benutzte er die Taschenlampe, um die Öffnung zu vergrößern. »Emma, hier ist die Polizei.« Er rammte seinen Fuß in ein Loch in der Wand und stemmte sich in den Dachboden hoch.
Mit dem Oberkörper auf dem Dachboden, den Fuß noch in dem Loch in der Wand verankert, hielt er inne. Heiße Luft hüllte ihn ein, so intensiv, dass seine Lunge beim Einatmen brannte. Das Mädchen lag wie ein Häufchen Elend am Dachfuß. Seine Haut war mit einem feinen, weißen Pulver vom Gipskarton bedeckt. Emmas Augen waren offen, die Lippen zusammengepresst. Eine große Ratte lauerte nur Zentimeter von ihrer Hand entfernt, ihre Augen leuchteten wie Spiegel im Licht der Taschenlampe. Will stemmte sich in den Dachboden hinauf. Überall huschten Ratten herum. Eine sprang über den Arm des Mädchens. Er sah
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