Will Trent 02 - Entsetzen
Geschmack in ihrem Mund loszuwerden. Evelyn Mitchell hatte ihrer Tochter nicht viele Details über diese interne Ermittlung erzählt, aber Faith hatte gesehen, was diese endlosen Verhöre mit ihr anrichteten. Mit jedem Tag, der verging, war ihre starke, herrische Mutter mehr zu einer resignierten, alten Frau geworden.
Will Trent war der Schlüsselfaktor bei dieser Verwandlung.
Um ehrlich zu sein, natürlich gab es viel Schuld zu verteilen. Faith war Polizistin, und sie kannte den Ehrenkodex des Schweigens, aber sie wusste auch, dass es der Verrat durch Evelyns eigene Männer gewesen war - diese gierigen Mistkerle, die dachten, es sei okay, zu stehlen, solange es sich nur um Drogengeld handelte -, der ihren Willen schließlich brach. Dennoch weigerte Evelyn sich, gegen irgendeinen aus ihrem Team auszusagen. Dass die Stadt ihrer Mutter wenigstens die Pension gelassen hatte, war schon fast ein Wunder, aber Faith wusste, dass Evelyn hochrangige Freunde hatte. Als Politikverächter gelangte man im Atlanta Police Department nicht in eine Führungsposition. Evelyn wusste sehr genau, wie das Spiel funktionierte.
Faith selbst hatte immer angenommen, dass Will Trent irgendein unfähiger, aber hinterhältiger Wichser war, der sich gern gute Polizisten vorknöpfte, um sie aus der Truppe zu werfen. Sie hatte nicht erwartet, dass Trent dieser untadelige, schlaksige Mann war, der jetzt zusammengekrümmt neben ihr im Auto saß. Und sie hatte auch nicht erwartet, dass er tatsächlich sehr genau wusste, was er tat. Wie er den Tatort analysiert und interpretiert hatte und dass seine Annahme, Humphrey sei College-Student gewesen, korrekt war - etwas, auf das gerade Faith sofort hätte kommen müssen -, das alles war nicht die Arbeit eines GBI-Bürohengstes.
Ob es ihr gefiel oder nicht, sie musste sich mit ihm abfinden, und irgendwo da draußen gab es ein vermisstes Mädchen und zwei Elternpaare, die in Kürze die schlimmste Nachricht ihres Lebens erhalten würden. Faith würde alles tun, was sie konnte, um diesen Fall zu lösen, denn das war letztendlich das Einzige, was wirklich zählte. Dennoch bot sie nicht an, die Klimaanlage des Mini hochzudrehen, obwohl Will sich in diesem lächerlichen dreiteiligen Anzug zu Tode schwitzen musste, und mit Sicherheit würde sie auch nicht das Eis brechen, indem sie ein Gespräch anfing. Was sie anging, konnte er mit den Knien an den Ohren dasitzen und in seinem eigenen Schweiß schmoren.
Faith setzte den Blinker, als sie auf die Peachtree Street fuhr, und beschleunigte dann auf die äußerste rechte Spur, nur um kurz darauf hinter einem dreckverkrusteten Pick-up wieder zum Stehen zu kommen. Jetzt steckten sie offiziell fest im Schnell-Schnell-Stopp-Spiel von Atlantas nachmittäglichem Stoßverkehr, der gegen halb drei anfing und erst gegen acht Uhr allmählich nachließ. Rechnete man die Baustellen noch mit dazu, bedeutete das, dass sie für die fünf Meilen bis zum Georgia Tech, das nur auf der anderen Seite der Interstate lag, ungefähr eine halbe Stunde brauchen würden. Vorbei waren die Zeiten von Starsky und Hutch, als man sich noch ein Blaulicht aufs Dach klatschen und durch den Verkehr brausen konnte. Dies war Will Trents Fall, und falls er den Stoßverkehr hätte umgehen wollen, hätte er sich einen Streifenwagen bestellen müssen, der sie zum Georgia Tech brachte, und nicht einen leuchtend roten Mini mit einem Peace-Aufkleber auf der Stoßstange.
Während sie im Schneckentempo am High Museum of Art und der Atlanta Symphony Hall vorbeischlichen, kehrte Faith in Gedanken immer wieder zum Schauplatz des Verbrechens zurück. Sie war ungefähr zehn Minuten nach Leo am Haus der Campanos eingetroffen. Ihre Mutter hatte immer gesagt, die schlimmsten Tatorte seien die mit Kindern als Opfer. Ihr Rat war, vergiss deine Familie, konzentriere dich auf deine Arbeit und weine, wenn du danach Zeit hast. Wie jeden guten Rat, den ihre Mutter ihr je gegeben hatte, hatte Faith ihn nicht beachtet. Erst als sie heute dieses Haus betreten hatte, hatte sie erkannt, wie sehr ihre Mutter recht gehabt hatte.
Adam Humphreys leblosen Körper zu sehen, in Sportschuhen derselben Marke wie die, die Faith ihrem eigenen Sohn erst eine Woche zuvor gekauft hatte, war wie ein Schlag in die Magengrube gewesen. Sie stand im Foyer, spürte die Hitze im Rücken und fühlte sich, als wäre alle Luft aus ihren Lungen gewichen.
»Jeremy«, hatte Leo gesagt und ihren Sohn gemeint. Doch es war nicht als Ausdruck des
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