Will & Will
das.
ich: hör zu. obwohl ich immer noch finde, dass es total scheiße von dir war, was du da gemacht hast, will ich dir einfach nur sagen, dass ich weiß, ich war auch scheiße zu dir. nicht auf so ausgefeilte weise scheiße wie du, aber immer noch ziemlich scheiße. ich hätte ehrlich zu dir sein müssen und dir sagen sollen, dass ich mit dir nicht darüber reden will oder nicht mit dir zusammen sein will oder nicht dein bester freund sein will oder was auch immer. ich hab es versucht – ich schwör dir, ich hab es versucht. aber du wolltest nicht hören, was ich sagen wollte, und das hab ich dann als vorwand genommen, es einfach so weiterlaufen zu lassen.
maura: du hast aber nichts gegen mich gehabt, wenn ich isaac war. wenn wir jeden abend miteinander gechattet haben.
ich: aber das war eine lüge! eine totale lüge!
jetzt schaut maura mir direkt in die augen.
maura: mach mal halblang, will – du weißt, dass es so was
wie eine totale lüge nicht gibt. es steckt immer auch etwas wahrheit darin.
ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. deshalb sage ich einfach das nächstbeste, was mir in den sinn kommt
ich: ich hab nicht dich gemocht. sondern isaac. ich hab isaac gemocht.
die leere in meinem kopf ist verschwunden. stattdessen spüre ich trauer.
maura: … und isaac hat dich gemocht.
ich möchte ihr sagen: ich will einfach nur ich selbst sein. und ich will mit jemandem zusammen sein, der einfach nur er selbst ist. mehr nicht. ich will durch all die posen und das theater hindurch die wahrheit spüren. unverstellt.
vielleicht liegt die größtmögliche annäherung an die wahrheit bei maura und mir genau darin: die lüge zwischen uns beiden anzuerkennen und zu bedauern, dass deswegen unsere gefühle füreinander auf der strecke geblieben sind.
ich: tut mir leid, maura.
maura: mir tut es auch leid.
wahrscheinlich nennt man sich deswegen gegenseitig den oder die ex, weil die pfade, die sich einmal in der mitte gekreuzt haben, am ende getrennt verlaufen. ein x nur als zeichen zu sehen, mit dem etwas durchgestrichen wird, ist zu
simpel. denn so etwas lässt sich nicht ausixen, einfach so. das x ist das diagramm zweier sich kreuzender pfade.
ich höre, wie dreimal gehupt wird, und sehe gideon im auto seiner mutter vorfahren.
ich: ich muss gehen.
maura: dann tu das.
ich gehe und steige zu gideon ins auto und erzähle ihm ganz genau, wie alles gerade gelaufen ist. er sagt, dass er stolz auf mich ist, und ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. ich frage ihn
ich: warum?
und er sagt
gideon: weil du gesagt hast, dass es dir leidtut. ich war mir nicht sicher, ob du das fertigbringen würdest.
ich sage ihm, dass ich mir da auch nicht sicher war. aber so hätte ich es eben empfunden. und ich wollte ehrlich sein. plötzlich – das ist das nächste, was ich weiß – sind wir auch schon auf dem highway. ich weiß nicht, ob wir es rechtzeitig zur aufführung schaffen. ich weiß nicht, ob es richtig ist, dass ich dort auftauche. ich weiß noch nicht mal, ob ich tiny wirklich sehen will. aber ich will unbedingt sehen, was aus seinem stück geworden ist.
gideon pfeift zur musik aus dem radio mit. normalerweise nervt mich so was total, aber jetzt nicht.
ich: ich wünschte, ich könnte ihm die wahrheit klarmachen. gideon: tiny?
ich: ja. man muss doch nicht mit jemand zusammen sein, um ihn großartig zu finden, oder?
wir fahren eine zeit lang. gideon fängt wieder zu pfeifen an. ich stelle mir vor, wie tiny hinter der bühne herumrennt. dann hört gideon zu pfeifen auf und trommelt lachend aufs lenkrad.
gideon: beim jupiter, ich glaub, ich hab’s!
ich: hast du das gerade wirklich gesagt?
gideon: gib’s zu. das gefällt dir.
ich: seltsamerweise ja.
gideon: ich glaub, ich hab eine idee.
und dann erzählt er es mir. und ich kann gar nicht fassen, dass ich ein so verrücktes und verqueres und geniales individuum da neben mir sitzen habe.
aber mehr noch – ich kann gar nicht fassen, dass ich tatsächlich bereit bin, zu tun, was er mir vorschlägt.
Neunzehntes Kapitel
Vor der Premiere am Abend basteln Jane und ich stundenlang an der perfekten Playlist für die Viertelstunde vor der Aufführung herum, die – wie von Tiny gewünscht – abwechselnd Punksongs und Stücke aus Musicals enthält. »Annus Miribalis« taucht darin auf, und wir schmuggeln sogar ein Lied von Neutral Milk Hotel dazu, die mit Punk gar
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