Will & Will
nichts am Hut haben. Bei den Musicals entscheiden wir uns für neun unterschiedliche Versionen von »Over the Rainbow«, ein Reggae-Remix eingeschlossen.
Als wir mit Diskutieren und Downloaden fertig sind, eilt Jane nach Hause, um sich umzuziehen. Ich will jetzt eigentlich nur so schnell wie möglich in den Theatersaal, aber ich glaube, es wäre Tiny gegenüber unfair, in Jeans und einem Willy-the-Wildkit-T-Shirt zum wichtigsten Ereignis seines Lebens zu erscheinen. Deshalb ziehe ich über das Wildkit-T-Shirt ein lässiges Tweedsakko meines Vaters, reibe mir etwas Gel ins Haar und bin bereit.
Ich warte, bis Mom nach Hause kommt, schnappe mir ihre Autoschlüssel, noch bevor sie die Haustür ganz geöffnet hat, und fahre in die Schule.
Ich betrete den so gut wie leeren Zuschauerraum – noch über eine Stunde, bis der Vorhang aufgeht – und laufe als Erstes Gary in die Arme, der die Haare etwas heller gefärbt und kürzer geschnitten und sie so durcheinandergestrubbelt hat wie ich meine. Außerdem trägt er die Sachen, die ich ihm gestern gebracht habe: Khakihosen, ein kurzärmliges Karohemd,
das ich besonders liebe, und meine schwarzen Chucks. Ein fast surrealer Gesamteindruck, wären die Klamotten nicht so unglaublich lächerlich zerknittert.
»Hey, hat Tiny kein Bügeleisen aufgetrieben?«, frage ich.
»Grayson«, sagt Gary, »schau dir mal deine Hose an, Mann.«
Das tu ich. Oh. Ich wusste gar nicht, dass Jeansstoff überhaupt knittern kann. Gary legt mir den Arm um die Schulter und sagt: »Hab bisher immer gedacht, das gehört zu deinem Look.«
»Jetzt weiß ich das selber auch«, sage ich. »Wie steht’s denn so? Nervös?«
»Ein bisschen schon, aber längst nicht so wie Tiny. Könntest du vielleicht mal hinter die Bühne gehen und dich, ähm, ein bisschen um ihn kümmern? Das hier« – er deutet auf seine Kleidung –« war erst mal nur für die Kostümprobe. Ich muss mich jetzt in meine White-Sox-Kluft stürzen.«
»Ich schau mal nach ihm«, sage ich. »Wo ist er?«
»Backstage, Toilette«, antwortet Gary. Ich übergeb ihm die CD mit unserem Mix, laufe den Gang nach vorn und schlüpfe dann hinter den schweren roten Vorhang. Dort treffe ich auf eine Horde von Darstellern in verschiedenen Stadien der Kostümierung, die sich gegenseitig beim Schminken helfen, und das erste Mal überhaupt sind sie alle still. Alle Jungs tragen den Mannschaftsdress der White Sox, komplett mit Stollenschuhen und Kniestrümpfen, die sie über ihre engen Hosen hochgezogen haben. Ich begrüße Ethan, der Einzige, den ich wirklich kenne, und will dann gleich weiter zur Toilette, als mir überhaupt erst das Bühnenbild auffällt. Eine sehr realistisch nachgebaute überdachte Spielerbank, wie auf
einem echten Baseballplatz. »Das ist die ganze Zeit das Bühnenbild?«, frage ich überrascht.
»Um Gottes willen, nein«, sagt Ethan. »Das wechselt bei jedem Akt.«
In der Ferne höre ich einen Donnerhall von dröhnendem Gewürge, danach das grässliche mehrmalige Aufspritzen eines mächtigen Schwalls Flüssigkeit, und mein erster Gedanke ist: Tiny hat in das Stück noch einen Elefanten reingeschrieben und der Elefant hat gerade gekotzt . Dann begreife ich, dass es sich bei dem Elefanten um Tiny handelt.
Obwohl ich besser die Flucht ergreifen sollte, folge ich dem Geräusch bis zur Toilette, wo sich nach einer kurzen Pause das Ganze gleich noch einmal wiederholt. Durch den Spalt unter der Kabinentür kann ich Tinys Füße sehen. »Tiny«, sage ich.
»MMMBBBÄÄÄRRRGGGH«, antwortet er und schnappt dann verzweifelt nach Luft, bevor wieder ein Schwall aus ihm herausschießt. Der Gestank bringt mich fast um, aber ich mache noch einen Schritt und schiebe die Tür vorsichtig auf. Tiny steht über die Schüssel gebeugt da und trägt das größte Trikot der White Sox, das es überhaupt geben kann.
»Die Nerven oder Magen-Darm?«, frage ich.
»OWÄÄÄÄÄÄÄHHHH.« Die schiere Menge dessen, was da aus Tinys weit aufgerissenem Mund herausschießt, ist beeindruckend. Ich erkenne Salat, und mir wäre lieber, das hätte ich nicht getan, denn automatisch frage ich mich: Tacos? Truthahnsandwich? Und dann könnte ich fast auch gleich loskotzen.
»Okay, Kumpel, einfach raus damit, und danach geht’s dir gleich besser!«
Nick stürmt in die Toilette, stöhnt entsetzt: »Dieser Geruch, dieser Geruch!«, und sagt dann: »Versau deine Haare nicht, Cooper! Beug den Kopf nicht zu tief in die Schüssel. Wir haben Stunden für deine
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