Will & Will
oder so was, diesem verrückten Fettarsch. Aber ich lächle. Vielleicht ist er ja ein böser Hexenmeister, auf alle Fälle aber ist Tiny Cooper sein eigener gottverdammter Herr, und wenn er gigantische Hüpfer machen möchte, dann ist das sein gottverdammtes gutes Recht als riesiger Amerikaner.
Mich beschleicht das Gefühl, dass ich Jane jetzt nicht versetzen kann, und so sitze ich auf der Treppe vor der Schule, als sie zwei Minuten später hinter dem Lenkrad ihres handbemalten orangefarbenen alten Volvo aufkreuzt. Mir war das Auto schon vorher auf dem Parkplatz aufgefallen – wem wäre es nicht aufgefallen –, aber niemals hätte ich es mit Jane in Verbindung gebracht. Sie wirkt viel schüchterner, als so ein Auto es vermuten ließe. Ich gehe die Treppe runter, öffne die Beifahrertür und steige ein. Meine Füße landen auf einem Haufen von Fast-Food-Papiertüten.
»‘tschuldigung. Das ist wirklich widerlich.«
»Ach was«, sage ich. Das wäre jetzt eine hervorragende Gelegenheit, einen Witz zu machen, aber ich denke nur Maul halten Maul halten Maul halten . Nach einer Weile wird das Schweigen zu drückend, deshalb sage ich: »Kennst du diese Band, ähm, die … die Maybe Dead Cats?«
»Ja. Sind nicht schlecht. So was wie die frühen Mr. T Experience für Arme, aber es gibt einen Song von ihnen, den ich wirklich gut finde – er ist ungefähr fünfundfünfzig Sekunden lang und heißt ›Annus Miribalis‹ und erklärt dir im Grunde Einsteins Relativitätstheorie.«
»Cool«, sage ich. Sie lächelt, tritt aufs Gaspedal und wir düsen los Richtung Stadt.
Vielleicht eine Minute später halten wir an einem StoppSchild und Jane fährt rechts ran und wirft mir einen Blick zu. »Ich bin ziemlich schüchtern«, sagt sie.
»Ähm?«
»Ich bin selber ziemlich schüchtern, deshalb kann ich das verstehen. Aber du brauchst dich nicht hinter Tiny zu verstecken.«
»Tu ich nicht«, sage ich.
Und dann windet sie sich aus dem Sicherheitsgurt heraus, und ich frage mich noch, warum tut sie das, und dann beugt sie sich über den Schaltknüppel, und mir dämmert, was da gerade passiert. Und dann schließt sie die Augen und neigt den Kopf, und ich drehe mich schnell weg und starre auf die Fast-Food-Tüten auf dem Boden vor dem Beifahrersitz. Sie macht die Augen auf und schreckt zurück und dann fange ich irgendwas zu quasseln an, um das Schweigen zu füllen.
»Ich bin nicht wirklich, ähm, also ich finde dich toll und hübsch und alles, aber ich bin nicht, äh, also ich bin nicht, ähm, also vermutlich will ich jetzt einfach noch keine richtige Beziehung.«
Nach einer Sekunde antwortet sie sehr ruhig: »Könnte sein, dass ich da wohl eine nicht ganz zutreffende Information erhalten habe.«
»Möglicherweise«, sage ich.
»Tut mir echt leid.«
»Mir auch. Also ich meine, du bist wirklich –«
»Nein nein nein, stopp, das macht es alles nur noch schlimmer. Okay. Okay. Schau mich an.« Ich schaue sie an. »Ich kann total vergessen, was da jetzt eben passiert ist, aber nur wenn du auch total vergessen kannst, dass das eben passiert ist.«
»Nichts ist passiert«, sage ich, und dann korrigiere ich mich: »Nicht einmal nichts ist passiert.«
»Ganz genau«, sagt sie, und dann endet unser Dreißig-Sekunden-Aufenthalt an dem Stoppschild und mein Kopf wird gegen die Nackenstütze geschleudert. Jane fährt Auto, wie Tiny die Jungs wechselt.
Wir fahren vom Lake Shore in der Nähe von Downtown runter und reden über Neutral Milk Hotel und ob es von ihnen vielleicht irgendwelche Aufnahmen geben könnte, von denen noch keiner was gehört hat, Demo-Tapes oder so was, und wie interessant das doch wäre, wie ihre Songs sich wohl angehört haben, bevor sie fertige Songs waren, und dass wir vielleicht in ihr Aufnahmestudio einbrechen und jeden Moment Musik von ihnen kopieren könnten. Die uralte Heizung des Volvo führt dazu, dass meine Lippen bald ganz trocken sind, und die Sache mit dem Gurt und dem vorgeneigten Gesicht fühlt sich tatsächlich wie nie gewesen und vergessen an – und ich stelle fest, dass ich irgendwie seltsam enttäuscht bin, wie gleichmütig Jane das alles offenbar hinnimmt, was dazu führt, dass ich mich merkwürdigerweise so fühle, als hätte ich eine Abfuhr bekommen, was mich wiederum dazu veranlasst, zu überlegen, dass im Museum der Verrücktheiten vielleicht ein Seitenflügel nur zu meinen Ehren errichtet werden sollte.
Ein paar Straßen von der Adresse weg, zu der wir wollen, finden wir
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