Will & Will
in Ordnung, mein Junge?«
»Ja, alles in Ordnung«, sage ich, aber ich höre das Zittern in meiner Stimme, und ich fühle mich, als könnte ich aus irgendeinem Grund jeden Augenblick wieder zu heulen anfangen, und er sagt: »Okay. Okay. Ich ruf in der Schule an.«
Es vergeht ungefähr eine Viertelstunde. Ich hab mich auf die Couch im Wohnzimmer geschmissen, die Füße auf dem Glastisch, und starre in die Glotze, die gar nicht an ist. Die
Fernbedienung halte ich in der linken Hand, aber ich hab nicht mal mehr die Energie, um auf einen Knopf zu drücken.
Ich höre, wie die Garagentür aufgeht. Kurz darauf kommt Dad durch die Küche herein und setzt sich neben mich, ziemlich nah neben mich. »Fünfhundert Kanäle«, sagt er nach einer Weile, »und keiner davon läuft.«
»Kriegst du so einfach frei?«
»Ich kann immer jemand finden, der für mich einspringt«, sagt er. »Immer.«
»Ich komm schon klar«, sage ich.
»Natürlich tust du das. Ich wollte nur mal ein bisschen Zeit mit dir verbringen, das ist alles.«
Ich zwinkere ein paar Tränen weg, aber Dad ist viel zu diskret, um irgendeine Bemerkung dazu zu machen. Dann schalte ich den Fernseher ein, und wir bleiben bei einer Sendung hängen, die sich Wunderbare Welt der Yachten nennt und wo sie einem Yachten zeigen, die so groß sind, dass darauf sogar ein Golfplatz ist oder was auch immer, und jedes Mal, wenn irgendein supertolles Extra gezeigt wird, ruft Dad: »Oooh, ist das nicht sa-gen-haft!« Was er natürlich ironisch meint, obwohl vieles davon wirklich sagenhaft ist. Sagenhaft und auch wieder nicht.
Und dann stellt Dad den Fernseher leise und fragt: »Du kennst doch Dr. Porter?«
Ich nicke. Das ist der Kollege von Mom.
»Sie haben keine Kinder, deshalb schwimmen sie in Geld.« Ich lache auf. »Dafür haben sie eine Yacht, die in Belmont Harbor liegt, eines dieser Ungetüme mit Schränken aus indonesischem Kirschholz und drehbarem Kingsize-Bett samt Federkissen mit dem Flaum von Seeadlern und was nicht
sonst noch alles. Wir waren vor Jahren einmal zu ihnen auf die Yacht eingeladen, und es hat nicht länger als dieses eine Abendessen gedauert – kaum mehr als zwei Stunden –, um uns an das Luxusambiente so zu gewöhnen, dass wir uns auch nicht anders gefühlt haben als … als eben auf einem Boot.«
»Und die Moral von der Geschicht?«
Jetzt lacht er. »Du bist unsere Yacht, mein Junge. All das Geld, das wir in eine Yacht hätten stecken können, all die Zeit, die wir mit Reisen rund um die Welt hätten verbringen können, all der Konsum – stattdessen haben wir dich gekriegt. So eine Yacht ist auch nur ein großes Boot. Aber du … du kannst nicht auf Kredit gekauft werden und du bist irreduzibel. Ich bin so stolz auf dich, dass ich schon allein deswegen stolz auf mich bin. Ich hoffe, du weißt das.«
Ich spüre einen Kloß in der Kehle und nicke. Wir starren beide auf den stummen Werbespot für ein Waschmittel. Nach einer Weile murmelt Dad vor sich hin: »Kredit, Konsum … da muss sich doch irgendwie ein Wortspiel rausholen lassen.«
Ich sage: »Und wenn ich nicht auf die Medical School an der Northwestern gehen möchte? Oder wenn sie mich nicht nehmen?«
»Dann würde ich dich natürlich nicht mehr lieben«, sagt er. Eine Sekunde lang hält er es durch, dazu ein ernstes Gesicht zu machen, dann lacht er und stellt den Fernseher wieder laut.
Später beschließen wir, dass wir Mom zum Abendessen mit Puten-Chili con carne überraschen wollen. Ich bin gerade am
Zwiebelschneiden, als es an der Haustür klingelt. Ich weiß sofort, dass es Tiny ist, und spüre, wie von meinem Solarplexus eine große Erleichterung in meinen ganzen Körper ausstrahlt. »Ich geh schon«, sage ich, quetsche mich in der Küche an meinem Vater vorbei und renne zur Tür.
Es ist nicht Tiny, sondern Jane. Sie schaut gespannt zu mir hoch.
»Wie ist die Zahlenkombination meines Schließfachs?«
»Fünfundzwanzig-zwei-elf«, sage ich.
Sie boxt mir spielerisch gegen die Brust. »Ich wusste es! Warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Ich konnte mich nicht entscheiden, welche der Wahrheiten am wahrsten war«, sage ich.
»Wir müssen die Schachtel öffnen«, sagt sie.
»Ähm, aber…«, sage ich und mache einen Schritt nach vorn, damit ich die Tür hinter mir zuziehen kann, aber sie macht keinen Schritt zurück, sodass wir uns jetzt fast berühren. Ich weise sie auf einen wichtigen Punkt hin: »… die Katze hat einen Freund.«
»Ich bin gar nicht die Katze. Die
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