Wille zur Macht
gemeinsamen Essen einzuladen. Sie hatte mit Bedenken eingewilligt, aber ließ sich dennoch seine kleinen, feinen Berührungen gefallen. Er hatte sogar den Eindruck, dass sie sie genoss.
Nun hatte er sie nach Hause gebracht, wie er meinte es als Kavalier tun zu müssen. Er glaubte zu wissen, was sie dachte. Dass sie dem Konflikt ausgesetzt war, ihn hereinzubitten und noch auf einen Kaffee einzuladen. Eben diese ganz normale, konventionelle Verpflichtung, die so viel Unheil in die Welt brachte. Was Mechthild nicht wusste, war, dass Fritz Behrmann davor Angst hatte. Das ging ihm viel zu schnell. Er hatte Angst, in eine sexuelle Situation zu geraten, die ihn überfordern würde, wo er versagen könnte. Und wie würde er dann als Mann dastehen?
Mechthild Kayser andererseits spürte aber auch die Macht der konventionellen Erziehung in sich. Ein schöner Abend, zärtliche Berührungen, die sie nicht abgelehnt hatte. Und nun sollte sie diesen Mann vor den Kopf stoßen und ihn nach Hause schicken. Würde sie dann als frigide gelten oder eher als kaltes, die Gelegenheit ausnutzendes Weib klassifiziert werden?
Beide schwiegen und warteten.
Glücklicherweise ergriff Fritz Behrmann wieder die Initiative und traute sich, sich zu outen.
„Mechthild, ich fand diesen Abend sehr, sehr schön. Vielleicht erwartest du jetzt irgendetwas anderes, aber ich kann nicht so einfach mit reinkommen. Es ist nicht so, dass ich das nicht will. Wirklich nicht. Und ich bin auch nicht irgendwie nicht in Ordnung, oder so etwas. Aber ich kann das nicht so schnell. Verstehst du das?“ Nervös blickte Behrmann sie jetzt an. Seine Äußerung kam ihm als das denkbar Unmännlichste vor, das er hätte sagen können. Keine Spur von einem stürmischen Eroberer oder eines Liebhabers, der die Situation im Griff hatte. Verunsichert wartete er auf Mechthilds Reaktion.
Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Sie war erleichtert. Auch sie hatte in den vergangenen fünf Jahren, seit Sammy mit ihrer gemeinsamen Tochter auf ein beabsichtigtes Nimmerwiedersehen abgehauen war, keinen Menschen mehr an sich herankommen lassen. Fritz Behrmann war der erste. Sie hatte das Gefühl nicht wieder vergessen können, das er ihr vermittelte, als er sie mit ihrem Team aus den Fängen des Serienmörders befreit hatte. Es war eindeutig mehr bei ihr angekommen, als ein überaus kollegiales Verhalten. Sie hatte die liebevolle Fürsorge wieder gespürt. Fritz Behrmanns liebevolle Sorge.
Und seine Worte entspannten sie. Sie ergriff seine Hand und sagte sehr souverän: „Es war ein wunderschöner Abend, Fritz. Ich sage jetzt nicht, dass ich dir dankbar bin, dass du wieder ein wenig Glück in mein Leben gebracht hast.“
Dann zog sie ihn ins Haus. Sie schob ihn auf die schwarze Ledercouch und setzte sich in einen Sessel vor ihm.
„Sei nicht beunruhigt, ich bin gerne mit dir hier. Aber auch mir fällt es schwer, etwas Neues zu beginnen.“ Dann lächelte sie ihn liebevoll an. „Ich habe noch einen tollen Wein. Eine trockene Spätlese von der Nahe. Etwas ganz Besonderes. Davon nehmen wir noch ein Gläschen. Und dann kannst du gehen. Aber die nächste Einladung bezahle ich!“
Mit diesen Worten stand sie auf und ging in die Küche. Fritz Behrmann war erleichtert. Wie schwer manchmal die Wahrheit über die Lippen kam, und wie hilfreich sie sein konnte, dachte er sich. Und dass Mechthild Kayser von einem weiteren gemeinsamen Abend gesprochen hatte, war ihm auch nicht entgangen. Das machte ihn glücklich.
Wenig später kam sie mit der angekündigten Flasche zurück. Sie reichte Fritz den Korkenzieher. Fast andächtig öffnete er die Flasche und goss beiden ein. Der Wein war vorzüglich. Sie sprachen kein Wort, sondern saßen im Halbdunkel des Wohnzimmers nur da. Sie brauchten keinen Kerzenschein und Lovesongs im Hintergrund. Es war für beide schön, nicht allein zu sein. Das genügte ihnen.
Als Fritz sein Glas geleert hatte, stellte er es behutsam auf dem Couchtisch ab und erhob sich langsam. Sein Signal, dass er jetzt wie verabredet gehen wollte. Auch Mechthild stand auf, und so standen sie Angesicht zu Angesicht dicht beieinander. Es war der Zeitpunkt für einen Kuss. Das spürte Behrmann, aber er traute sich nicht. Mechthild trat einen kleinen Schritt näher an ihn heran, ihr Gesicht ganz dicht vor seinem, nahm seinen Geruch auf und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Ich freue mich auf unseren nächsten freien Abend, Fritz.“
Fritz Behrmann hätte
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