Wille zur Macht
Strippe und bat ihn, zum Revier für die Entnahme einer Blutprobe zu kommen.
Erna Ratzenow schluckte ihren Protest herunter. „Gut, dann komme ich eben nachher wieder. Aber wenn es dann zu spät ist, tragen Sie die Verantwortung.“
Das wäre erst einmal geschafft, sagte sich der Wachhabende. Sollte sich doch der Spätdienst mit Frau Ratzenow herumärgern. Er würde jedenfalls mittags Feierabend haben.
An diesem Morgen gab es dagegen in der Mordkommission nicht viel zu tun. Nach den aufwendigen Ermittlungen bezüglich der letzten Morde war jetzt endlich wieder die Zeit gekommen, in der die Ermittler ihre haufenweise entstandenen Überstunden abfeiern konnten. Mechthild Kayser war alleine im Büro. Gelangweilt klickte sie sich auf ihrem Computer durch die Hausmitteilungen des Kriminaldauerdienstes und der anderen Kommissariate. Sie war sehr unkonzentriert und stellte fest, dass sie eigentlich nur die Zeit totschlagen wollte. Sie dachte an Fritz Behrmann. Er war es, der sie beschäftigte. Der Abend mit ihm hatte ihr gutgetan. Seine Nähe, sein Geruch, der Kuss auf ihre Stirn hatten etwas in ihr ausgelöst, was sie lange Zeit nicht mehr für möglich gehalten hatte. Sie war wieder verliebt. Allein der Gedanke, sich dies einzugestehen, ließ ihr Herz schneller schlagen. Eigentlich brauchte sie ja nur mit dem Fahrstuhl nach unten zu fahren und ihn in den Räumen des Erkennungsdienstes zu besuchen. Aber sie hielt ein solches Verhalten für so auffällig, dass jeder im Haus gleich wissen würde, dass sie etwas miteinander hatten. Und das war ihr irgendwie peinlich. Ich benehme mich wie ein Teenie, ärgerte sich Mechthild und lächelte dabei glücklich.
Mit einem elektronisch erzeugten Gong meldete ihr Computer, dass eine direkt an sie gerichtete E-Mail eingegangen war. Sie riss sich aus ihren Gedanken, wechselte in ihren Posteingang und öffnete das Schreiben.
Beim Lesen der ersten Zeilen fiel es ihr wieder ein. Die Polizeihochschule hatte sich gemeldet. Mechthild erinnerte sich an den Besuch des Organisationsreferenten vom Senator für Inneres vor ein paar Wochen. Der hatte angefragt, ob sie bereit wäre, einen der Polizeistudenten für ein Praktikum in ihr Kommissariat aufzunehmen. Nach Rücksprache mit ihren Kollegen hatte sie zugestimmt. Die E-Mail kündigte sein Kommen an.
Gerade jetzt, wo nichts los ist, und die anderen kaum da sind, dachte Mechthild. Auch nicht gerade schön für einen Praktikanten. Aber sie konnte ja nicht extra für ihn einen Mord begehen lassen. Nur, damit er etwas von ihrer Arbeit mitbekäme.
Sie schaltete das kleine Radio auf ihrem Schreibtisch ein. „Love is in the air!“ plärrte es aus dem kleinen Lautsprecher, und hektisch drehte Mechthild die Musik wieder ab. Ihre Gedanken waren wieder bei Fritz.
Egal! Ich gehe jetzt zu ihm, entschied sich Mechthild. Sie konnte ihn ja fragen, ob er den Praktikanten auch mal in seine Arbeit schauen lassen könnte. Das wäre ja nicht abwegig, so etwas zu fragen. Und ganz klar dienstlich. Also unverdächtig.
Mechthild verließ ihr Büro und schlenderte vergnügt zum Fahrstuhl. Wie er wohl reagieren wird, wenn sie jetzt bei ihm auftaucht? Mit einem Mal kamen ihr Zweifel. Täuschte sie sich auch nicht? Interpretierte sie den gestrigen Abend richtig? Viel länger konnte sie diesem Gedanken aber nicht nachhängen. Der Fahrstuhl war schon auf dem Weg und öffnete nun seine edelstählernen Schiebetüren im Untergeschoss des Präsidiums. Behrmanns Büro lag rechts hinten am Ende des Flures. Die Räume des ED sahen immer sehr sauber und ordentlich aus. Die Wände des Flures machten den Eindruck, als wenn sie jeden Tag frisch gestrichen werden würden. Fritz Behrmann legte als Chef des ED großen Wert darauf, dass sich möglichst keine fremden Spuren an seine Untersuchungsgegenstände heften konnten.
Mechthild ging den Flur entlang. Langsam kam sie Behrmanns Büro näher, als plötzlich neben ihr eine Tür aufgerissen wurde und Fritz Behrmann hastig auf den Flur trat und Mechthild dabei beinahe umriss. Erschreckt kam Mechthild ins Taumeln. Behrmann riss reflexartig ihre Arme an sich und hielt sie auf diese Weise fest, damit sie nicht fallen konnte. Dann erkannten sie sich. Ganz eng hatte Behrmann Mechthild an sich herangezogen, und jetzt lockerte sich sein fester Griff und wandelte sich in eine zärtliche Umarmung. Beide strahlten sich verliebt an. Dann ging eine andere Tür zum Flur auf, und schnell lösten die beiden ihre Verbindung.
„Na, da hätte
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