Wille zur Macht
seiner Amtszeit noch zur Kriminaldirektorin befördern zu können.
Mechthild nahm gegenüber dem PP Platz, in einem der etwas in die Jahre gekommenen, ledernen Besuchersessel.
Dann erläuterte sie ihm die bisherigen Ermittlungsergebnisse. Da der Polizeipräsident zurzeit auch der kommissarische Leiter der Kripo war, hatte er auch die Aufgabe, die erforderliche Pressekonferenz durchzuführen und dazu einzuladen. Eine Obliegenheit, die ihm nicht lag. Er mochte es nicht, wenn er photographiert wurde und sein Bild in der Zeitung erschien. Er hatte im Gegensatz zu vielen anderen kein Bedürfnis, eine öffentliche Person zu sein. Sein Reihenhaus im Bremer Stadtteil Horn galt ihm als Refugium, und er legte keinen Wert darauf, dass seine Nachbarn daran erinnert wurden, dass er Bremer Polizeipräsident war. Er wollte auch in Zukunft, zwar nicht erlaubt, aber trotzdem ungestört seine Gartenabfälle in der Tonne hinter dem Haus verbrennen können. So, wie es alle in seiner Straße taten. Er hielt nichts von Überregulierungen, die dem kleinen Mann das Leben nur schwerer machten und völlig an der Realität vorbeigingen. Kleine Normenverstöße waren somit in seinen Augen unumgänglich. Die breite Kriminalisierung des ansonsten gesetzestreuen Menschen durch Strafandrohungen für Bagatellen lehnte er ab.
Ernst Logemann hatte sich in Ruhe die Berichterstattung angehört. Unter Beachtung der Tatsache, dass sie wohl erst nach ihrem Meeting am Abend genügend Erkenntnisse haben würde, legte er den Termin für die anstehende Pressekonferenz auf den nächsten Tag um elf Uhr. Mechthild war einverstanden.
Dann lehnte sich der PP nachdenklich in seinem Sessel zurück. Er zog seine Stirn in Falten.
„Glauben Sie, dass es etwas Politisches ist? Ich meine, wegen des Sterns im Rücken des Opfers.“
Mechthild dachte nach. Weniger darüber, ob ein politisches Motiv hinter der Tat stecken könnte als darüber, welche Konsequenzen eine solche Einschätzung für ihre Arbeit mit sich bringen würde.
„Zurzeit sehe ich dafür keine Anhaltspunkte. Diesbezüglich tappen wir noch völlig im Dunkeln, und deshalb sollten wir nicht vorab eine Ermittlungsrichtung vorgeben, die sich im Nachhinein als sehr hinderlich erweisen könnte. Außerdem haben wir doch dann in Bremen gleich den ganz großen ‚Bahnhof‘: LKA, BKA, Verfassungsschutz und so weiter. Wäre peinlich, wenn dann nachher nichts dran sein sollte, oder?“
Mechthild hoffte auf eine schnelle Zustimmung des PP. Sie spekulierte darauf, dass sich seine Scheu vor zu viel Aufmerksamkeit durchsetzen würde und er sie erst einmal machen ließe.
Sie irrte sich nicht. Ernst Logemann pflichtete ihr bei. „Sie haben Recht. Wir brauchen uns nicht zu verstecken und können unsere Arbeit auch alleine machen. Aber halten Sie mich unbedingt auf dem Laufenden und machen Sie mir nach ihrem Meeting heute Abend noch einen Entwurf für die Pressekonferenz. Die Einladung dazu schicke ich dann heute noch raus.“
Mechthild nickte, und Ernst Logemann schaute auf seine Armbanduhr. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er eigentlich schon Feierabend hatte und endlich aus dem Polizeihaus rauswollte. Aber heute musste er länger bleiben. Schnell verabschiedete sich Mechthild und eilte zurück in ihr Büro.
Bevor die anderen zurückkommen würden, wollte sie die erforderlichen Recherchen in den Datenbanken der Polizei durchführen. Sie tippte die Daten Christian Dunkers ein und hatte gleich zwei Treffer. Er war vorbestraft und hatte zweimal eine Geldstrafe erhalten: einmal wegen Nötigung und das andere Mal wegen versuchter Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Kein richtig schwerer Junge, dachte Mechthild. Aber immerhin. Sie erinnerte sich an die Worte Frau Ratzenows, die meinte, dass Dunker von ihrem Ehemann für einen Terroristen gehalten wurde. Die beiden Verurteilungen machten ihn natürlich nicht zu einem Terroristen, aber sprachen nicht unbedingt gegen das, was Frau Ratzenow damit eigentlich meinte. Mechthild griff zum Telephon und wartete, bis sich die Registratur meldete. Dann orderte sie die Ermittlungsakten für die in der Datei angeführten Fälle an.
Als sie in die Tatortdatei wechselte, tauchte die Adresse Christian Dunkers nur einmal auf: Die Hansens aus demselben Haus hatten einen Einbruch in ihren Imbisswagen angezeigt. Ein Täter wurde nie ermittelt.
Dann holte sie sich die Meldedaten aller Hausbewohner auf den Schirm und ließ sie ebenfalls durch den Computer
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