Wille zur Macht
Dauerdienst Ayse Günher und Heiner Heller schon erreicht hatte und sie auf dem Weg hierher waren. Nichts gegen die lobenswerte Einsatzbereitschaft ihres Polizeistudenten. Aber hier brauchte sie dringend die erfahrene Crew aus ihrem Kommissariat.
„Guten Tag, Frau Ratzenow. Ich bin Mechthild Kayser und leite die Ermittlungen. Wie mir meine Kollegen mitteilten, hatten Sie sich Sorgen um Herrn Dunker gemacht?“
Erna Ratzenow sah Mechthild lange an. „Er ist tot, nicht wahr?“ fragte sie bedrückt.
Mechthild nickte. „Ja, Frau Ratzenow. Er ist ermordet worden.“
„Wie schrecklich! So ein netter Mann. Und noch so jung.“
Dann ging sie voraus in ihre Wohnung. Mechthild folgte ihr. Sie setzten sich an den Tisch im Wohnzimmer, wo noch das Kaffeegedeck von Felix Kutscher darauf wartete, abgeräumt zu werden.
Erna Ratzenow erläuterte noch einmal ihr Verhältnis zu dem Toten. Sie bezeichnete ihn als einen harmlosen Weltverbesserer, der ihrer Meinung nach aber einen glück- und deshalb sinnlosen Kampf führte.
„Mein Mann hätte gesagt, er ist ein Terrorist. Aber dazu war der Christian viel zu friedfertig. Mit Gewalt hatte der nichts am Hut!“
Dann schilderte sie, wie Christian Dunker regelmäßig für sie einkaufen gegangen war und ihr die schweren Tüten nach oben getragen hatte. Und auch sonst war er häufiger bei ihr gewesen und erzählte ihr dann von der drohenden Klimakatastrophe und den großen Firmen, die die Menschen auf der ganzen Welt ausbeuteten.
„Na ja, er war eben ein kleiner Spinner. Aber ein lieber!“ schloss sie ihre Aussage.
Mechthild erkundigte sich konkret nach den letzten Tagen und nach Kontakten, die der Tote zu Lebzeiten hatte. Frau Ratzenow hatte Herrn Dunker zwar vor dem Haus schon mal mit anderen Leuten gesehen, aber kennen tat sie keinen von ihnen.
„Junge Leute eben. Wie die heute so aussehen!“
Das half Mechthild Kayser nicht viel weiter. Sie übergab Frau Ratzenow ihre Karte mit dem Hinweis, anzurufen, wenn ihr noch etwas einfallen würde und verabschiedete sich. Vielleicht hatte einer der anderen Bewohner im Haus etwas bemerkt.
Sie stieg die Stufen zur nächsten Etage hinauf, aber bei beiden Wohnungen wurde nicht geöffnet. Sie notierte die Namen und ging wieder hinab. Auch die Wohnungstür gegenüber von Frau Ratzenow blieb verschlossen.
Na, prima, dachte Mechthild ärgerlich. Hoffentlich hatte Harald Strehlow mehr Glück. Sie wollte ihm gerade entgegengehen, als Heiner Heller und Ayse Günher die Stufen hinaufgerannt kamen.
„Der KDD hat uns erreicht. Wie sieht’s aus?“ fragte Heiner Heller stürmisch. Er war der jüngste Ermittler im Team von Mechthild und hatte nach anfänglichen Unzulänglichkeiten gute Arbeit im letzten Mordfall geleistet. Obwohl er früher als einer galt, der die Arbeit nicht gerade erfunden hatte, war aus dem ehemaligen Sonnyboy und Partygänger unter den Fittichen von Mechthild Kayser ein ordentlicher Mordermittler geworden. Und Ayse Günher hatte schon mehrfach bewiesen, dass sie einiges auf dem Kasten hatte. Zudem war sie Mechthilds beste Freundin, weshalb die Leiterin der Mordkommission darauf Acht geben musste, dass Ayse nicht in den Ruf des Protegés Mechthilds geriet. Sehr zum Leidwesen von Ayse, die ahnte, dass sie wahrscheinlich schon längst für die nächste Beförderung vorgeschlagen worden wäre, wenn Mechthild nicht diesem Konflikt ausgesetzt wäre. Aber als Kriminaloberkommissarin, deren Eltern als Hilfsarbeiter vor Jahren aus der ländlichen Türkei nach Deutschland gekommen waren, hatte sie es nicht gerade schlecht getroffen. Sie hatte die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen und war immerhin Vorgesetzte von Heller, der nur Kriminalkommissar war. Insgeheim hoffte Ayse, dass ihr nach dem unehrenhaften Wechsel von Mechthilds Stellvertreter Kurt Roder in ein anderes Kommissariat, eventuell dessen Stelle angeboten werden würde. Aber das stand heute nicht zur Diskussion.
Mechthild erläuterte ihren beiden Mitarbeitern die bisher vorliegenden Fakten, wies Ayse an, nach Harald Strehlow zu suchen und ihn zu unterstützen und forderte von Heller, dass er sich um Daten zu Christian Dunkers Leben kümmern sollte.
„Wie hat er gelebt und wovon? Freunde, Ehefrau, Verwandte, Interessen, Sie wissen schon!“
Fritz Behrmann hatte mittlerweile dutzende Photos der Leiche machen lassen. Immer wieder wurde das Wohnzimmer von zuckenden Blitzen erhellt. Jetzt schnitt er vorsichtig die Fessel durch und achtete darauf, die Knoten nicht
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