Wille zur Macht
vorwurfsvoll auf seine Sekretärin hinab, die ihren Blick demutsvoll senkte. Bernhard Lange reichte Mechthild seine ausgestreckte Hand, begrüßte sie überschwänglich und zog sie in sein Büro. „Bitte nehmen Sie Platz, Frau Kayser. Tee, Kaffee, Gebäck?“
„Nein danke“, lehnte Mechthild ab. „Ich will Ihre knapp bemessene Zeit nicht überstrapazieren. Sie haben sicher viel zu tun.“
„Das kann man wohl sagen. Seit wir in der Regierungsverantwortung sind und nun nach all den Jahren der Misswirtschaft dieses Land aus dem Dreck ziehen sollen ... Na ja, Sie können sich das ja vorstellen. Aber was führt Sie in mein Büro?“
„Es handelt sich nur um eine Nachfrage. Ich bin gerade mit einer umfangreichen Ermittlung beschäftigt und benötige eine allgemeine Auskunft.“
„Aber gern. Sie wissen ja, dass meine Partei von jeher immer auf Seiten unserer Sicherheitsorgane stand. Was möchten Sie wissen?“
„Sie haben doch einen persönlichen Telephonanschluss hier in Ihrem Büro?“ Mechthild gab sich naiv. „Aber weshalb lassen Sie sich denn nicht immer über Ihre Sekretärin vermitteln? Das wäre doch eigentlich viel angemessener.“
Bernhard Lange zog kurz seine Augenbrauen zusammen, und seine Stirn bildete eine breite Falte. Er konnte nicht einschätzen, was sich hinter dieser Frage verbarg.
„Nun, Frau Kayser.“ Lange suchte nach einer unverfänglichen Antwort. „Ein Landesvorsitzender hat auch die Aufgabe, seine Partei zusammenzuhalten und die Mitglieder dazu zu bewegen, mit einer Stimme zu sprechen. Wir sind eine weltoffene Partei mit vielen verschiedenen Strömungen. Aber wir führen unsere Diskussionen intern, bilden dann eine Meinung und mit der treten wir öffentlich auf. Das macht es einfach erforderlich, dass ich auch mal ganz persönlich mit einem meiner Freunde sprechen muss, ohne dass meine Sekretärin daran beteiligt ist. Das geht ja manchmal um sehr vertrauliche Inhalte.“
„Ich verstehe. Dann kann also auch nicht jeder einfach Ihren persönlichen Anschluss benutzen, oder?“
Bernhard Lange wurde langsam misstrauisch. Was wollte diese Frau? Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Er antwortete ehrlich.
„Natürlich nicht. Der Anschluss ist durch einen Zahlencode geschützt. Aber ich verstehe nicht, warum Sie das interessiert?“
Jetzt wurde Mechthild deutlicher. „Möglicherweise sind Sie für uns ein wichtiger Zeuge in der Mordsache Christian Dunker.“
„Dieser Kommunist, der ermordet wurde?“ Bernhard Lange wurde hellhörig. Sie sah ihm an, dass es in seinem Kopf mächtig zu arbeiten begann. Lange setzte sich aufrecht in seinen Sessel und rollte näher an seinen Schreibtisch heran.
Mechthild lächelte. Sie spürte, dass Lange etwas beunruhigte. „Also, ob er ein Kommunist war, weiß ich nicht. Aber er gehörte mit Sicherheit zu den kritischen Geistern in unserer Stadt.“
Lange kniff die Augen etwas zusammen. „Und was habe ich mit diesem armen Menschen zu tun?“
Mechthild holte ein kleines Notizheft aus ihrer Handtasche. Sie hatte die Daten zwar alle im Kopf, wollte Lange aber gern ein wenig schmoren lassen.
„Der Ermordete wurde einige Tage vor seinem Tod von Ihrem persönlichen Anschluss aus angerufen.“
Bernhard Lange ließ sich demonstrativ in seinen Sessel zurückfallen. „Unmöglich! Ich kenne den Mann nicht.“
Er griff sich die Zigarettenschachtel auf seinem Schreibtisch und steckte sich eine Zigarette an. Nachdem er den ersten tiefen Zug ausgeatmet hatte, war ihm eine Antwort eingefallen.
„Vielleicht ein Zahlendreher! Wir wissen ja alle, dass bei den Telephongesellschaften auch nicht immer alles rund läuft. Das hat doch jeder schon mal erlebt, dass die Abrechnung nicht stimmte. Also ganz ehrlich: Ich habe mit diesem Herrn nichts zu tun gehabt. Wenn das alles war ... Ich müsste jetzt langsam mal wieder.“ Mit diesen Worten zog sich Bernhard Lange eine dicke Akte aus einem Stapel.
Mechthild überlegte, wie sie weiter vorgehen sollte. Es konnte natürlich stimmen, dass bei der Auflistung der Gesprächsverbindungen ein Fehler aufgetreten war. Aber für sehr wahrscheinlich hielt sie das nicht. Aber um Bernhard Lange gezielter befragen zu können, brauchte sie einfach mehr Fakten. Sie musste sich erst einmal zurücknehmen.
„Das ist natürlich auch möglich“, stimmte sie Lange zu. „Aber Sie haben sicher Verständnis dafür, dass wir jeden Anhaltspunkt, und mag er noch so abwegig sein, überprüfen müssen.“
Jetzt lächelte Lange
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