Willenlos
Leon Bartram, ja genau. Der hatte damals seine Frau ermordet.«
»Er streitet es immer noch ab. Aber das alles hat sich in Düsseldorf abgespielt, was geht dich das an?«
Gunther Trempe stand auf, holte sich aus einer Schachtel auf dem Sideboard eine Zigarre. Joshua rümpfte die Nase. Vor drei Monaten hatte er sich das Rauchen abgewöhnt. Beim Geruch des Qualmes fiel es ihm immer noch schwer.
»Breitscheid, du hast ihn wohl nicht mehr kennengelernt, der damalige Leiter des KK 11 in der Festung, war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Schlimme Sache damals. Sein Vertreter war dabei verletzt worden. Man hatte mich gebeten, die Stelle übergangsweise zu besetzen, bis er wieder im Dienst ist. Ich war auch nur sechs Wochen dort. In diese Zeit fiel der Fall Bartram. Kurz vor der Verhandlung hatte Leon Bartram mich unter vier Augen sprechen wollen, ich hatte zugestimmt.Bartram redete pausenlos auf mich ein, verlangte, den Fall neu zu ermitteln. Aus meiner Sicht waren die Beweise, die die Kollegen vor meiner Vertretungszeit zusammengetragen hatten, eindeutig. Aber Bartram hatte nicht lockergelassen. Er hat sogar behauptet, einer der Ermittler, Klaus Dahlmann, hätte Beweise manipuliert. Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich habe ihm unmissverständlich gesagt, dass keine neuen Ermittlungen aufgenommen würden. Daraufhin hatte er mich wüst beschimpft, mir vorgeworfen, mit Dahlmann unter einer Decke zu stecken. Ich habe geantwortet: Selbstverständlich, er ist einer unserer besten Polizisten.«
Sein Vater wurde nachdenklich, blies den Qualm gedankenlos über den Tisch. Zu Joshuas Verwunderung machte ihm der Geruch nichts aus.
»Glaubst du wirklich, der will sich jetzt an mir rächen? Er muss doch eingesehen haben, dass wir nur unsere Pflicht getan hatten.«
»Das weiß ich nicht. Zumindest in einem Punkt scheint er recht zu haben. Klaus Dahlmann ist nach unseren derzeitigen Kenntnissen damals bestochen worden, hat Beweise manipuliert.«
Gunther Trempe sackte in sich zusammen.
»Das gibt es nicht«, flüsterte er.
»Gut möglich also, dass Leon Bartram tatsächlich 15 Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht hat.«
»Und nun ist er draußen und rächt sich an allen, die damals an seiner Verurteilung beteiligt waren?«
Joshua stieß einen kurzen Lacher aus.
»Nein, das hat wohl sein Bruder für ihn erledigt.«
»Wie bitte?«
»Das ist eine lange Geschichte, Vater. Ich muss zurück, Ulrich Bartram verhören.«
Gunther Trempe wollte protestieren. Joshua stand auf und verabschiedete sich.
»Gedenkst du, sie mir zu erzählen?«
»Ja, später.«
53
»Frau Witzorek und der Richter sind unterwegs, Frau Kluge kommt in einer Stunde«, empfing Karin ihn.
»Gut. Wir sollten uns die Taktik überlegen. Wir dürfen es nicht versauen.«
Nach einer halben Stunde kamen sie überein, mit der Gegenüberstellung zu beginnen. Sie war der niedrigste Trumpf, Ulrichs Anwalt würde auf die große Ähnlichkeit der Geschwister verweisen. Unter den Zeugen musste absolute Einigkeit bestehen, woran Joshua nach der ersten Erfahrung zweifelte. Der zweite Schritt war das Verhör, im Laufe dessen sie ihn mit den Beweisen konfrontieren würden.
»Was sagt der EKD, haben sie ihn behandelt?«
»Ja, die Fingerprints auf den Messern, der Medikamentenschachtel und dem Türgriff stammen zweifelsfrei von ihm. Er wird zumindest in Erklärungsnot geraten.«
»Das ist mir zu wenig.«
Joshua nahm die Ermittlungsakten, verweilte auf den Fotos aus der Tankstelle in Meerbusch und dem Geldautomaten in Recklinghausen. Hektisch durchwühlte er die Schubladen seines Schreibtischs.
»Wir hatten doch mal eine Lupe …«
Daniel reichte ihm seine. Eingehend ließ er das dicke Glas über die Fotos gleiten. Es handelte sich um Kopien, die Originale waren noch bei der Kriminaltechnik. Joshua senkte den Kopf bis dicht über die Lupe. Die kaum erkennbaren Schatten neben der Nase, er war nicht sicher. Joshua wollte nichts dem Zufall überlassen, wählte da Vincis Nummer.
»Hallo Vincent. Kannst du auf den Fotos aus Meerbusch und Recklinghausen erkennen, ob die Person ein Muttermal neben der Nase hat?«
»Puh … ja, ich denke, das könnte machbar sein. Muss das sofort sein?«
»Ja, bitte.«
»In Ordnung«, da Vinci untermalte die Antwort mit einem schwerfälligen Stöhnen, ich melde mich.«
»Dann schickt ihn mal hoch.«
Karin legte den Hörer auf.
»Das Glück ist auf unserer Seite. Unten hat sich ein Mann gemeldet, der
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