Willi von Bellden (German Edition)
befand, und zwar eine sehr lange. Der Schreck, der mich mit der Einsicht ereilte, dass es sich um einen Schalldämpfer handelte, lähmte alle meine Glieder in der gleichen Sekunde. Zu meinem Erstaunen ging Sammy mit gefletschten Zähnen und einem zornigen Knurren auf unseren Widersacher zu, doch im selben Moment sah ich eine Feuersalve aus der Pistole aufleuchten. Ein lautes Winseln ertönte, Sammy wandte sich in der Luft und landete mit einem dumpfen Aufprall auf der Seite. Ich registrierte seine Zunge, die ihm aus dem Maul hing, und ich verspürte Todesangst. Ich wollte nur noch fliehen. Panisch versuchte ich, an dieser gefährlichen Gestalt vorbeizukommen, hinaus aus der Tür, zu Churchill in die sichere Scheune. Oh Bello, wäre er doch jetzt bloß hier, dachte ich. Mit seiner enormen Wendigkeit und Schnelligkeit wäre eine solche Flucht für ihn ein Katzenspiel. Diesen Gedanken hatte ich noch nicht zu Ende gedacht, als ein ungeheuerlicher Schlag meine Brust traf. Die Wucht, mit der die Kugel mich erreichte, ließ mich durch die Luft an die Wand gegenüber fliegen, wie eine Marionette. Ich sank in mich zusammen, ohne Schmerz, ohne Gefühl, nur noch mit dem Wissen, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte.
Im Hundehimmel ging es laut her. Als Bello, unser Hundegott, mit weißem Schnurrhaar und grau meliertem Fell mir entgegentrat, schrie der Hund, der hinter mir in der Schlange stand immerzu: »Bitte nicht! Bitte nicht!«
Ich verstand überhaupt nicht, warum er Angst vor Bello hatte, es war schließlich unser aller Gott, weise, klug und unsagbar gütig. Warum um Bellos willen jammerte er dann so kläglich?
Langsam versuchte ich, meine Augen zu öffnen, weil ich dem Köter hinter mir die Meinung sagen wollte, als ich plötzlich undeutliche Schemen wahrnahm. Was sollte das denn schon wieder? Wurde hier im Hundehimmel ein Theaterstück über die Gräuel eines irdischen Lebens inszeniert?
Langsam wurden die Umrisse klarer, und die Leute, die nun vor mir standen, nahmen Konturen an. Was suchten Anny und Tanner im Hundehimmel? Zu enge Bindungen zwischen Mensch und Tier sind auch nicht gerade wünschenswert, da ich eigentlich hier endlich tun konnte, was auch immer ich wollte, dachte ich. Nie mehr Sitz und Platz, und auf keinen Fall mehr irgendwelchen Bällen hinterherjagen müssen, die man dann auch noch bringen musste. Obwohl es mir leidtat, musste ich ihnen sagen, sie sollten von hier verschwinden.
»Bitte, tun Sie ihm nichts«, sagte nun Anny und nicht mehr der Hund hinter mir. Der war verschwunden, stattdessen tauchte Anny direkt vor mir auf. Kniend saß sie hinter Tanner, dem Blut vom Kopf herunterlief, an der Wange vorbei und am Hals herunter, bevor es von seinem T-Shirt eingesogen wurde.
Was war hier los, fragte ich mich, denn im Hundehimmel blutete doch normalerweise niemand.
Unter größten Anstrengungen richtete ich mich auf.
Oh mein Bello! Ich erinnerte mich plötzlich an den Schuss auf Sammy, auf mich und an den bewusstlosen Oskar, der, wie ich jetzt sah, immer noch an der gleichen Stelle lag.
Tanner und Anny mussten heruntergekommen sein, oder der Einbrecher hatte sie hierhergescheucht. Gut, dass die Kinder nicht zu sehen waren, die hoffentlich von all den Gewalttaten dieses Mannes nichts mitbekommen würden.
»Wo ist das Handy?«, fragte die Gestalt, die eine Motorradmaske aus Stoff sowie eine Kapuze trug. Wütend fuchtelte sie mit der Pistole in der Hand umher.
»Es ist in der Schublade! Ich hole es! Aber bitte tun Sie mir nichts!« Anny war angespannt vor Angst. Ihre Bewegungen wirkten fahrig, und ich konnte erkennen, wie sehr ihre Hände zitterten. Langsam stand sie auf, indem sie Tanners Kopf vorsichtig auf den Boden bettete. Vermutlich hatte die Gestalt ihm eins über den Schädel gezogen, und nun war er, genau wie mein Sohn, in Bewusstlosigkeit versunken. Die beiden hatten es gut, dachte ich, wenigstens mussten sie diese Ängste nicht durchstehen, die wir gerade empfanden. Sammy sah fürchterlich aus, wie er so dalag. Es schien, als hätte die Kugel ihm schwer zugesetzt. Sein Bauch hob und senkte sich zwar, doch die Atmung war flach, das konnte man erkennen. Wieder schickte ich ein Stoßgebet gen Hundehimmel. Möge Oskar noch lange in seiner Bewusstlosigkeit ruhen und die Kinder auf keinen Fall wach werden.
In ihrem dünnen Nachthemd wirkte Anny auf einmal ganz klein und zerbrechlich. Vor einiger Zeit hatte ich mir vorgenommen, sie niemals wieder vor einem Einbrecher zu beschützen.
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