Willi von Bellden (German Edition)
streichelte er meinen Rücken und ging sogar in die Hocke, um mir von Mann zu Mann in die Augen zu sehen. Chapeau claque, Monsieur, dachte ich, der Mann hat Hundeerfahrung! Mathis stieg in meiner Beliebtheitsskala um mindestens zehn Punkte. Damals, als ich ihn das erste Mal getroffen hatte, war ich noch kein Jahr alt. Das war, als Mathis in einem eigens dafür hergerichteten Gewölbekeller ihres Gutes seinen fünfunddreißigsten Geburtstag feierte. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie trinkfest er war, aber das musste man als Winzer wohl zwangsläufig sein. Mathis und Tanner hatten sich wiederum über Toni kennengelernt, dessen Stammbaum ebenfalls auf eine jahrhundertelange Winzertradition zurückging.
»Isch biite eusch erein in die gute Stube, ees iist schonn allees vorbeereitet!«, sagte er mit typisch französischem Akzent, den ich immer mehr mochte.
Tanner lächelte, und wir folgten Mathis in einen kunstvollen Flur mit marmorierten Fußböden und imposanten Gemälden an den Wänden. Mathis lebte seit einigen Jahren allein hier. Seine Frau hatte sich scheiden lassen, wie wir bereits von Selma erfahren hatten, und seine Mutter war vor zwei Jahren gestorben. Viel Arbeit für einen einzelnen Mann, dachte ich. Vom Flur aus traten wir in ein Kaminzimmer ein, in dessen Mitte ein großer dunkel gebeizter Tisch stand, mit den dazugehörigen Stühlen. Er war reich gedeckt mit Trauben, Wein, Käse und aufgeschnittenem rosafarbenen Filet. Bei dem Anblick lief mir das Wasser im Munde zusammen. Dieses Arrangement hätte vermutlich sogar einem Sternekoch die Erhebung einer Augenbraue hervorgerufen.
Die beiden Männer setzten sich. Mathis forderte Tanner sofort auf zuzugreifen, mir hingegen warf er im selben Augenblick eine Scheibe dieses köstlichen Filets vor die Pfoten. In Anbetracht der Schmackhaftigkeit des guten Stückes verzieh ich ihm sofort die unhöfliche Geste des respektlosen Wurfes.
»Ich hoffe, es geht dir gut?«, fragte mein Herrchen, mit einer höflichen, jedoch sorgenvollen Konnotation in seiner Stimme.
Mathis zögerte mit seiner Antwort. (Ich werde Sie jetzt nicht weiter mit dem lustigen französischen Akzent behelligen, sondern bitte darum, sich das Gesagte in beschriebenem Stil vor Augen zu führen.)
»Ich würde übertreiben, wenn ich behaupten würde, dass es mir gut geht«, gab er seufzend zur Antwort.
Tanner wagte nichts darauf zu entgegnen, damit Mathis weiterreden konnte. Stattdessen sah er ihn auffordernd an, gleichzeitig nahm er sich ein Stück Käse und Brot.
»In der letzten Zeit haben sich Schwierigkeiten ergeben ...« Mathis redete wie eine Katze um den heißen Brei herum. »... die üble Konsequenzen nach sich ziehen, wenn sie in Angriff genommen werden.«
»Dann musst du entscheiden, ob du lieber deine Probleme behalten möchtest oder die Konsequenzen ausbaden willst«, sagte Tanner.
Mathis nickte gedankenverloren.
»Genau darüber bin ich mir nicht im Klaren ...«, gab er zurück. »Ich möchte meine Familie aus der Sache raushalten, aber das wird leider nicht möglich sein. Aus diesem Grund muss ich wohl oder übel weiterhin mit meinen Sorgen leben.«
»Kann ich dir in irgendeiner Form helfen?«, fragte mein Gebieter verbindlich.
Für einen Moment zögerte Mathis, dann schüttelte er jedoch bestimmt seinen Kopf.
»Nein, ich glaube nicht. Danke für das Angebot, vielleicht komme ich bei Gelegenheit darauf zurück!«
Die Männer tranken noch einen Schluck Wein, und mein Herrchen bediente sich reichlich an der dargebotenen Platte. Dann führte Mathis uns ein wenig auf dem Gut herum. Er blieb jedoch die ganze Zeit über verschlossen und wirkte nach wie vor nervös. Öfter schaute er sich ängstlich um, als ob er jeden Moment einen ungebetenen Besucher erwarten würde. Ich war froh, als wir endlich wieder in unseren Wagen steigen konnten. Mathis’ Unruhe übertrug sich langsam, aber sicher auf mich, sodass ich mich mehrmals dabei ertappte, wie ich suchend nach irgendeiner Gefahr Ausschau hielt.
»Und du hast ganz sicher kein Wort von Toni gehört?«, fragte Tanner noch einmal, während er die Fahrertür öffnete und lässig seinen Arm auf dem Autodach positionierte.
»Nein. Toni und ich haben vor drei Wochen das letzte Mal miteinander telefoniert, da hat er seinen Besuch für diese Woche angekündigt. Ich habe ihm versichert, dass er jederzeit willkommen sei. Er wollte mir eine Nachricht auf meinem Handy hinterlassen, wenn er in Vix ankommt«, antwortete Mathis und
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