Willi von Bellden (German Edition)
zuckte dabei mit seinen Schultern. »Ich weiß nicht, wohin er sonst noch wollte.«
»Und mit Norbert Aschter hattest du womöglich auch keinen Kontakt?«, fragte Tanner.
Mathis zögerte mit einer Antwort, zuckte kurz mit dem linken Auge, während er sich ein wenig genervt durch die dunklen Haare fuhr.
»Nein. Norberts Tod tut mir unendlich leid, aber wir hatten schon lange keinen Kontakt mehr. Früher ... ja, das war etwas anderes!«
»Hmm ... na dann«, murmelte Tanner. »Vielen Dank für deine Einladung, wir hören voneinander!« Hastig stieg er ins Auto.
Mathis winkte uns mit seinem kummervollen Gesicht hinterher, als wir mit dem Wagen um den Springbrunnen herumfuhren und in der Allee verschwanden.
»Er lügt wie gedruckt!«, bellte ich mein Herrchen vom Beifahrersitz aus an.
»Er lügt wie gedruckt!«, sagte Tanner. Seine Hände umklammerten verkrampft das Lenkrad, sodass sich seine Handknöchel weiß verfärbten.
»Sag ich doch!«, bellte ich.
»Ich wusste es!«, sagte Tanner. »An der Sache ist irgendetwas faul! Ich hoffe nur, dass es nichts mit Tonis Verschwinden zu tun haaaa...« Ein Schrei gellte aus der Kehle meines Herrchens. Für einen kurzen Augenblick fielen mir alle Sünden ein.
Mit einem Ruck lenkte Tanner seinen Wagen in voller Geschwindigkeit an den Straßenrand und bremste scharf ab, was die Reifen in höchsten Tönen quietschen ließ. Ich flog mit meinem ganzen Gewicht gegen das Armaturenbrett, was er nicht einmal mehr wahrnahm. Mühsam rappelte ich mich unter dem Handschuhfach auf, um zu sehen, was passiert war.
»Ich Idiot!«, schrie mein Herr und Gebieter und schlug mit voller Wucht aufs Lenkrad.
Endlich kapierte er mal selbst, dass mit ihm etwas nicht stimmte, dachte ich voller Erstaunen.
»Ich habe diese verdammten Schlüssel von Norberts Wohnung noch in meiner verdammten Hosentasche!«, schrie er und schlug wieder auf das Lenkrad, was wirklich nichts dafürkonnte, dass dieser Mann ein Gedächtnis wie ein Sieb besaß.
»Bello straft die kleinen Sünden sofort«, bellte ich. »So ist das, wenn man Dinge entwendet, die einem nicht gehören, nur weil man seine Neugierde nicht im Zaum halten kann und hinter allen Fenstern kriminelle Machenschaften wittert!« Diese Worte konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
»Ich muss zurück nach Dijon«, schimpfte er vor sich hin. Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, fuhr er mit aufheulendem Motor an.
Das tat er nur in besonders schlimmen Situationen, mit welch einer wir es jetzt anscheinend zu tun hatten.
Ich beobachtete ihn einen kleinen Augenblick, um abzuschätzen, ob ich es riskieren konnte, wieder auf den weichen Beifahrersitz zu klettern. Innerhalb von Sekunden entschied ich mich dafür. Dort war es wesentlich bequemer, schließlich hatten wir wieder ein lange Fahrt vor uns.
Spät am Abend kamen wir an. Tanner parkte in gebührendem Abstand in einer kleinen Lücke. Bestimmt eine halbe Stunde tat er nichts anderes, als hoch zu den dunklen Fenstern von Norbert Aschters Wohnung zu schauen, doch alles wirkte still und verlassen.
Nachdem mein Herr und Gebieter mehrmals heftig geseufzt und sich von einer Pobacke auf die andere gesetzt hatte, tat er mir für einen Augenblick so leid, dass ich ihm am liebsten angeboten hätte, den Schlüssel selbst nach oben in die Wohnung zu bringen. Es sollte bestimmt so aussehen, als ob die Polizei ihn dort vergessen hätte, was natürlich völliger Schwachsinn war. In Romanen, unter Höchstspannung, konnten solche Vorkommnisse vielleicht verziehen werden, aber das war nicht die Realität. Jeder noch so blöde Polizist konnte sich womöglich daran erinnern, ob er pflichtbewusst die heilige Stätte eines brutalen Mordes hinter sich verschlossen hatte oder nicht! Tanner stand wirklich die pure Angst im Gesicht, als er sich schließlich doch irgendwann aufmachte, um den Akt zu vollziehen, der vollzogen werden musste, um Schlimmeres zu verhindern. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er mich im Wagen zurücklassen, doch anscheinend überlegte er es sich anders und nickte mir kurz zu. Freudig sprang ich heraus, um Seite an Seite mit ihm zu dem exklusiven Altbau zu gehen, in dem sich Aschters Wohnung befand. Tanner verlangsamte seine Schritte, je näher wir kamen. Erst als er sich ganz sicher wähnte, dass die Luft rein war, schloss er schnell die Haupttür auf, und wir eilten die Treppen hinauf. Vor Anstrengung schnaufend, standen wir einige Minuten später vor der Wohnungstür, an der immer noch
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