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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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überrascht, wie geduldig und höflich er zu bleiben vermochte.
    »Es tut mir schrecklich leid«, sagte er. »Ich hatte einen sehr schlechten Tag, der in der Entdeckung kulminierte, dass jemand anders meinen Koffer mitgenommen hat. Bis sie ihn also auftreiben und mir bringen, habe ich keine saubere Kleidung, keinen Schlafanzug, nicht einmal eine Zahnbürste. Und morgen muss ich einen wichtigen Vortrag halten. Hier, schauen Sie. Vortrag, ja? Vortrag! Ich glaube, das Beste für mich wäre es jetzt, zu meinem Quartier zu fahren, ins Bett zu gehen, zu schlafen und zu hoffen, dass morgen, wenn ich aufwache, alles ein bisschen weniger schrecklich erscheint als im Augenblick. In Ordnung? Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
    »Kein Problem.«
    »Gut. Ich danke Ihnen.«
    »Also – Fox Oliver?«
    Dr. Wilfred gab nach.
    »In Ordnung«, sagte er. » Phoksoliva . Gewiss. Phoksoliva. Warum nicht? Phoksoliva, Phoksoliva, Phoksoliva! «
    Skios Taxi lächelte und hielt ihm die Hand hin.
    »Spiros«, sagte er. »Okay. Kein Problem. Sie haben Koffa?«
    »Nein«, sagte Dr. Wilfred. »Ich habe keinen Koffer. Jemand hat meinen Koffer mitgenommen . Und bevor Sie noch einmal ›kein Problem‹ sagen, bitte tun Sie es nicht, denn es gibt ein Problem, und das Problem ist, dass ich meinen Koffer nicht habe !«
    Spiros machte eine beruhigende Geste und führte Dr. Wilfred auf den Parkplatz.
    »Kein Problem«, sagte er.

10
    »Sie sind doch nicht allergisch gegen Lilien, oder?« fragte Nikki, als sie durch Parmenides ging, Lichter einschaltete und Olivers Gepäck auf das Koffergestell legte. »Ich habe schon bei Ihrer PA nachgefragt, wegen der Zwiebeln. Ich werde die Fenster schließen, obwohl ich nicht glaube , dass es hier Mücken gibt.«
    Sie schaute sich im Zimmer nach Unvollkommenheiten um, die ihr möglicherweise entgangen waren, und blickte dann auf die Uhr.
    »Abendessen in der Taverne? Oder soll ich die Küche bitten, Ihnen etwas zu schicken?«
    Er schüttelte den Kopf und sah sie an. Sie schaute sich weiter im Zimmer um.
    »Gut«, sagte sie. »Dann gehe ich jetzt, und Sie können es sich bequem machen.«
    Doch sie blieb.
    »Sie können sich hier einigeln und arbeiten, wenn Sie wollen … Wir hoffen natürlich, dass Sie sich unters Volk mischen … Oder schwimmen oder irgendwo sitzen … Unser Leitmotiv hier ist Zivilisation. Zivilisierte Gespräche in einer zivilisierten Umgebung … Ich denke, Sie werden die meisten Menschen hier ziemlich aufgeschlossen finden. Natürlich sind es keine Spezialisten …«
    Sie verrückte ein Kissen auf der Couch.
    »Morgen werden Sie mit Mrs. Fred Toppler zu Mittag essen, wie Sie wissen. Sie redet gern. Ich sollte ihr …«
    Sie rückte das Kissen zurück.
    »Und dann natürlich Ihr Vortrag. Am Morgen werde ich Ihnen zeigen, wo Sie sprechen werden. Dann können wir auch darüber reden, was Sie an Technik benötigen. Rufen Sie mich einfach an, wenn Sie zwischendrin etwas brauchen. Ich habe meine Karte auf den Schreibtisch gelegt. Ich bin aber auch leicht zu finden. Ich wohne in Demokrit. Den Weg entlang, dann das erste Haus auf der linken Seite. Die rechte Terrasse. Im Kühlschrank steht übrigens Champagner.«
    Und weg war sie. Sie hatte allerdings eindeutige Richtungsangaben hinterlassen. Champagner. Den Weg entlang, das erste Haus links, und …
    Sie war wieder da.
    »Nicht die linke Terrasse! Die gehört zu Mrs. Topplers Haushälfte!«
    Diesmal war sie wirklich weg. Oliver betrachtete sich im Spiegel. Der Mann im Spiegel lachte. »Also«, sagte er zu Oliver, »du bist in einer Stiftung. Und du hältst einen Vortrag. Ich frage mich, worüber.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Oliver zu dem Mann im Spiegel, »das werden wir beide herausfinden, wenn ich ihn halte. Wenn wir überhaupt soweit kommen.«
    Aber eins nach dem anderen. Der Vortrag war für morgen vorgesehen, und heute war heute und würde vielleicht nie morgen. Erst einmal duschen, ein sauberes Hemd anziehen, den Champagner aus dem Kühlschrank holen und dann – Demokrit. Die rechte Terrasse.
    Das Schwanken des Taxis in den dunklen Kurven und das Rumpeln durch die Schlaglöcher hörten plötzlich auf. Nach einem Augenblick drangen die ungewohnte Stille und Ruhe in Dr. Wilfreds Bewusstsein, und er schlug die Augen auf. Er hatte keine Ahnung, wo er war. Es hätte Malaysia oder Costa Rica sein können. Im Licht der Scheinwerfer war nichts zu sehen außer einem schmalen Tunnel aus Büschen, einem Stück ungeteerter Straße und der

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