Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Gepäckausgabe … Alle meine Unterlagen, ja … Nicht der Vortrag, nein. Ich habe den Vortrag … Sie sind jetzt nicht im Büro …? Nein, natürlich nicht, aber Sie könnten mir morgen früh den ganzen Papierkram mailen. Jetzt brauche ich nur eine Telefonnummer. Um sie zu kontaktieren, damit sie sich keine Sorgen machen … Nicht so schnell – ich gebe sie gleich ins Telefon ein … 0030 – ja, weiter … Sehr gut … Ich danke Ihnen … Wie sollten wir nur ohne diese magischen kleinen Dinge zurechtkommen?«
Er tippte auf die neue Nummer.
»Fred-Toppler-Stiftung«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Mit wem draf ich Sie verbinden?«
»Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass ich gut angekommen bin. Ihr Gastredner. Dr. Wilfred.«
»Oh, Dr. Wilfred, ja, gut, danke! Sie hatten guten Flug, haben Ihr Zimmer gefunden, alles in Ordnung, Sie wollen nichts, Sandwiches, was immer?«
»Alles in Ordnung«, sagte Dr. Wilfred. »Nein, ich möchte nichts. Außer meinen Koffer, den irgendein Idiot am Flughafen mitgenommen hat.«
»Kein Problem. Überlassen Sie mir. Ich richte es am Morgen.«
»Aber es ist eine sehr schöne Unterkunft. Danke. Ich wollte bald ins Bett gehen. Morgen früh alle begrüßen.«
»Okay. Gut. Schenken Sie sich ein Bad ein. Lassen Sie sich ein Glas Wein einlaufen.«
»Das habe ich schon, danke.«
»Und morgen früh, okay, Sie gehen aus der Tür, und Sie gehen den Weg vor Ihnen bis zum Meer, dort gibt es neben Wasser Frühstück, alle freuen sich auf Sie. Schlafen gut.«
»Mache ich. Phoksoliva .«
»Wie bitte?«
» Phoksoliva . Nein?«
»Phoks…?«
»… oliva . Ja?«
»Oh … Okay … Phoksoliva? Sie auch.«
Wie ein Gott erhob sich Oliver aus der Badewanne, erfrischt von den letzten Schaumblasen, und zog den bereitliegenden Bademantel an. Geradeaus, dann links – die rechte Terrasse. Er wollte den Reißverschluss seines Koffers aufziehen, um ein sauberes Hemd herauszunehmen.
Nur dass er ihn nicht aufziehen konnte. Er klemmte. Aufgrund eines Vorhängeschlosses.
Ein Vorhängeschloss ? Er hatte noch nie im Leben einen Koffer mit einem Vorhängeschloss gesichert!
Es war doch sein Koffer, oder? Oder, um pedantisch zu sein, Annuka Vos’ Koffer? Er hob die Lasche des Adressanhängers an. »Dr. Norman Wilfred«.
Großer Gott! Er hatte Dr. Norman Wilfreds Koffer! Er hatte nicht nur seine Identität übernommen, sondern auch den materiellen Stoff seines Lebens! Er befand sich jetzt wahrscheinlich im Besitz von allem, was Dr. Norman Wilfred auf der Insel Skios besaß. Es war ihm vom Schicksal in die Hände gelegt worden, ohne dass er sich bewusst darum bemüht hätte! Der Himmel hatte seinen Tatendrang bemerkt und zustimmend gelächelt.
Vielleicht war er jetzt tatsächlich Dr. Norman Wilfred! War wirklich zu ihm geworden !
Das Schild der Fluglinie erzählte dieselbe Geschichte. Da stand »Name: Dr. Norman Wilfred. Ziel: Fred-Toppler- Stiftung, Skios«. Und als er jetzt in den Spiegel schaute, war dieser einer Meinung mit ihm. Der Mann, der ihn daraus anblickte, war, ja, Dr. Norman Wilfred.
Er brauchte nur den Schlüssel zu seinem eigenen Koffer. Und der war wo? Und zum erstenmal kam ihm ein naheliegender Gedanke – den er schon längst hätte denken sollen, was er jedoch im Trubel der Ereignisse versäumt hatte: dass es irgendwo auf dieser Welt einen anderen Dr. Norman Wilfred geben musste. Allerdings einen Dr. Norman Wilfred ohne Dr. Norman Wilfreds irdische Besitztümer, außer dem Schlüssel zu dem Vorhängeschloss, das ebendiese sicherte. Ein Dr. Norman Wilfred, der in dem gefährlichen Glauben lebte, dass er und kein anderer Dr. Norman Wilfred und sein rechtmäßiger Platz auf der Welt genau hier in diesem Zimmer war.
Wo war er jetzt, der ehemalige Dr. Norman Wilfred, den die Götter so entschieden zurückgewiesen hatten?
Vermutlich auf der Insel, eingetroffen mit demselben Flugzeug wie die neue und verbesserte Ausgabe seiner selbst. Keine zwanzig Kilometer von ihm entfernt, denn die Insel schien nicht länger als zwanzig Kilometer zu sein. Vielleicht noch im Flughafen, wo er geduldig darauf wartete, abgeholt zu werden. Oder, mittlerweile wahrscheinlicher, ungeduldig. Wütend anrief und fragte, wo sein Wagen blieb. Und zur Antwort erhielt, dass eine Verwechslung vorliegen musste. Ein Taxi nahm. Bereits in einem Taxi saß. Unterwegs war. Außer sich. Fast schon in Sichtweite der Stiftung …
Jeden Augenblick würden die üblichen Peinlichkeiten einsetzen. »Ich war irgendwie
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