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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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allergisch!«

26
    Die zwei Leberflecken auf Georgies linkem Schulterblatt verschwanden und tauchten wieder auf wie zwei helle Sterne zwischen dahinziehenden Wolken. Mit dem Netz, das normalerweise zum Herausfischen von Laub und Insekten benutzt wurde, verfolgte sie langsam Dr. Wilfreds Telefon am Grund des Pools. Sie hatte nur eine Hand frei, da sie ihr T-Shirt wieder ausgezogen hatte, um sonnenzubaden, und die andere Hand das Handtuch festhielt, das sie um sich gewickelt hatte. Jedesmal, wenn sie versuchte, das Netz unter das Telefon zu schieben, rutschte entweder das Telefon vom Netz weg oder das Handtuch glitt ihr von den Schultern, und sie musste es wieder hochziehen.
    Dr. Wilfred schloss die Augen, dann sah er wieder hin, dann schloss er erneut die Augen.
    »Ich würde mir die Mühe sparen«, sagte er. »Das Telefon ist so oder so hin.«
    »Aber es werden giftige Chemikalien ins Wasser laufen. Und am Schluss sind wir beide radioaktiv verseucht.«
    Er schien die Augen abermals geöffnet zu haben, und die zwei flüchtigen tanzenden Punkte traten gerade wieder hervor.
    »Dieser Freund von Ihnen«, sagte er. »Oliver. Oliver? Wo ist er?«
    »Nur keine Eile. Ihre Sachen sind noch nicht trocken.«
    »Ja, aber warum ist er nicht hier, wenn er doch hier sein sollte?«
    » Ich weiß es nicht!« Sie warf das Netz weg und wandte sich plötzlich wütend ihm zu. »Warum sind Sie nicht, wo immer Sie sein sollten? Warum haben Sie keinen eigenen Sonnenhut? Warum liegt Ihr Telefon auf dem Grund des Pools? Ich weiß es nicht! Aber Sie wissen es, oder? Es gibt eine rationale Erklärung für alles, oder? Man kann alles zurückführen auf dieses Ding, das vor zwanzig Millionen Jahren eineinhalb Zentimeter groß war? Da war alles drin, alles war in diesem kleinen Ding, oder? Ihr Kopf, Ihr Telefon, Sie, ich, dass Sie in einem Haus landen, in dem Sie nicht sein sollten, und dass ich mit Ihnen hier festsitze?«
    Er schwieg. Es war stets zwecklos, auf diese Art Unsinn zu reagieren. Nur eine kleine Korrektur. »Vor 13,7 Milliarden Jahren«, sagte er.
    Plötzlich war er blind. Etwas Weiches hatte ihn heftig im Gesicht getroffen. Ihr Handtuch, das sah er, als es zu Boden fiel und die Welt wieder da war.
    »Und das ?« sagte sie. » Das haben Sie auch vorausgesehen, oder? Vor 13,7 Milliarden Jahren?«
    Er bemühte sich, nicht hinzublicken, als er das Handtuch zurückwarf. Oder jedenfalls nicht länger als unbedingt nötig.
    »Und außerdem«, sagte sie, »warum sind Sie überhaupt hier? Wenn Sie so viel wissen, warum wussten Sie dann nicht, wohin Sie wollten? Und auch wenn Sie nicht wussten, wohin Sie wollten, warum haben Sie sich dann nicht jemand anders aufgedrängt? Warum sind Sie hier ?«
    Ja, in der Tat, jetzt, da sie es angesprochen hatte, warum war er von allen Orten auf der Insel, an denen er nicht sein sollte, ausgerechnet an diesem gelandet? Darauf gab es selbstverständlich eine Antwort. Weil ihn der Taxifahrer hierhergefahren hatte. Und warum hatte ihn der Taxifahrer hierhergebracht? Weil … Und in einem plötzlichen Blitz der Erleuchtung wusste er es. Endlich ergab alles einen Sinn. Ein Heureka-Erlebnis, aber selbstverständlich so rational vorbereitet wie jedes andere Heureka-Erlebnis.
    » Phoksoliva «, sagte er. »Fox? Ja. Oliver? Oliver Fox?«
    »Oh«, sagte sie in einem ganz anderen Tonfall, »Sie kennen ihn?«
    Für alles gab es immer eine rationale Erklärung, eine einwandfreie kausale Ableitung, wenn man sie nur fand.
    »Ob ich ihn kenne ?« sagte er. »Ich bin er.«
    Weitere Tische wurden zu Dr. Wilfreds Tisch im Schatten der großen Platane geschleppt. Die Köpfe über den Tassen mit Kaffee und grünem Tee reckten sich, um nur ja keins seiner Worte zu versäumen.
    Während er sprach, spürte er, wie der Adrenalinspiegel in seinem Blut langsam sank. Es war alles zu einfach. Der winzige wegbröckelnde Halt, den er bislang gefunden hatte, während er die Klippe hinaufkletterte, wurde von einem Moment zum nächsten substantieller. Es war zunehmend so, als würde er eine Treppe hinaufspazieren. Er sah, wie sich ihm seitlich eine andere Route eröffnete, die faszinierende neue Gefahren bot.
    »Warum sitzen Sie alle hier und hören mir zu? Ich werde es Ihnen sagen. Weil Sie glauben, dass ich Dr. Norman Wilfred bin. Aber warum glauben Sie, dass ich Dr. Norman Wilfred bin?«
    Schweigen. Sie schauten ihn an und warteten darauf, dass er es ihnen sagte. Nikki saß auf dem Stuhl in seinem Rücken, schaute auf seinen Hinterkopf

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