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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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und wartete ebenfalls.
    »Weil es in der Broschüre steht«, sagte Chuck Friendly schließlich. »›Der Fred-Toppler-Vortrag wird dieses Jahr von Dr. Norman Wilfred gehalten, dem renommierten etc., etc.‹«
    »Aber vielleicht ist Dr. Norman Wilfred, der renommierte etc., etc., jemand anders. Vielleicht bin ich gar nicht Dr. Norman Wilfred.«
    Mehrere Zuhörer lachten.
    »Nikki fährt zum Flughafen, um Dr. Norman Wilfred abzuholen«, sagte Dr. Norman Wilfred. »Sie hält ihr Schild hoch – ›Dr. Norman Wilfred‹. Und ich sehe es. Ich bin gerade aus dem Flugzeug gestiegen. Ich suche nach meinem Taxi. Ich bin überhaupt nicht Dr. Norman Wilfred. Ich bin jemand namens … Ich weiß nicht … Sagen wir, Fox. Oliver Fox.«
    »Jetzt bin ich verwirrt«, sagte Morton Rinkleman. »Wer ist Oliver Fox?«
    »Ich bin Oliver Fox«, sagte Dr. Norman Wilfred. »Aber während ich dastehe und Ausschau halte nach jemand, der ein Schild mit dem Namen ›Oliver Fox‹ hält, sehe ich das Schild mit dem Namen ›Dr. Norman Wilfred‹. Und der Name gefällt mir. Und ich schaue die Person an, die das Schild hält …«
    Er schaute sich um und entdeckte Nikki.
    »Oh, da ist sie ja.«
    Sie lächelte ihn an.
    »Sie scheint mich anzulächeln«, sagte Dr. Norman Wilfred. »Ich lächle sie auch an. ›Dr. Norman Wilfred?‹ fragt sie.
    Und plötzlich denke ich, dass es lustig wäre, eine Weile Dr. Norman Wilfred zu sein. Die Idee kommt mir einfach so in den Kopf. Aus dem Nirgendwo.
    Und dann bin ich auf einmal hier, rede eine Menge Unsinn, und alle hören mir ehrfürchtig zu und nehmen jedes Wort ernst. Warum? Nur weil sie glauben, dass ich Dr. Norman Wilfred bin.
    Nun gut – lassen Sie uns den Faden weiterspinnen. Man kann es mit der zufälligen Mutation eines Gens vergleichen. Wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, dass ich Oliver Fox bin, dann hat das Konsequenzen. Niemand sitzt hier und hört mir zu. Niemand lässt mich auch nur durch das Tor. Die Welt dreht sich also weiter, ohne dass ich hier bin und Ihnen was erzähle.
    Und wenn ich mich als Dr. Norman Wilfred ausgebe, dann ändert sich der Lauf der Welt. Oliver Fox – Dr. Norman Wilfred – was bedeutet es schon? Kopf/Zahl. Erdbeer/Vanille. Aber wer weiß, wie die Folgen aussehen werden? Es ist wie mit dem berühmten Schmetterling in Brasilien. Er flattert zufällig mit den Flügeln, und das setzt eine Kettenreaktion von Folgen in Gang, die mit einem Tornado in Nebraska endet. Ich sage das, Sie sagen jenes, jemand anders sagt etwas anderes – und alles hat Folgen. Die Folgen werden Folgen haben, und in drei Wochen wird der Dow Jones plötzlich um siebenundvierzig Prozent sinken.«
    Die Leute lachten und rutschten unbehaglich auf ihren Stühlen hin und her.
    »Oder der Nasdaq wird um dreiundfünfzig Prozent steigen.«
    Wieder lachten sie, blickten jetzt aber zufriedener drein.
    »Und nicht nur ich bin daran beteiligt«, sagte Dr. Norman Wilfred. »Wir stecken alle unter einer Decke. Ich habe behauptet, ich bin Dr. Norman Wilfred. Aber Sie haben mir geglaubt. Wir haben also gemeinsam den zukünftigen Lauf der Welt bestimmt.«
    Er lehnte sich zurück und trank einen Schluck Kaffee. Alle anderen an den Tischen taten es ihm nach.
    »Wie wahr!« sagte Mrs. Comax. »Die Menschen glauben alles.«
    »Jemand muss nur sagen, ›He, Leute, ich bin Experte‹«, sagte Mr. Chuck Friendly, »und schon operiert er das Gehirn des Präsidenten oder leitet das Raumfahrtprogramm.«
    »Oder niemand sagt etwas«, sagte Mrs. Chuck Friendly, »aber die Leute halten jemand für ein Genie oder was auch immer, und sie wissen nicht einmal mehr, wie sie überhaupt auf die Idee gekommen sind!«
    »Wir lassen uns alle so leicht hinters Licht führen«, sagte Morton Rinkleman.
    »Woher wissen Sie, dass ich Harold Fossett bin?« fragte Harold Fossett.
    »Woher wissen Sie , dass Sie Harold Fossett sind?« sagte Morton Rinkleman.
    »Ja, woher weiß ich, dass ich Harold Fossett bin?« sagte Harold Fossett.
    »Wer bin ich überhaupt?« fragte ein angesehener Gast aus Indien, dessen Namen und Berufsbezeichnung niemand verstanden hatte, und bekam keine Antwort.
    »Ist irgendeiner von uns überhaupt irgend jemand?« fragte irgendeiner.
    Sie alle tranken Kaffee und grünen Tee und sahen einander mit neuem Respekt und Interesse an, freuten sich über die Vorstellung, dass sie vielleicht nicht waren, wer sie behaupteten zu sein, und ihre Freude entstammte der absoluten Gewissheit, dass sie es doch waren.
    »Okay«, sagte Mr.

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