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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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ging die paar Meter zurück. An dem Koffer befand sich ein Adressanhänger aus rotem Leder. Er hob die Lasche. »Annuka Vos«.
    Ja. Es war seiner. Sein vermisster Koffer.
    Annuka hatte Nadel und Faden gefunden und versuchte, das zerrissene Moskitonetz zu flicken. Sie war noch zu wütend auf Oliver, um sich der Arbeit mit der nötigen Geduld zu widmen, und schließlich knüllte sie alles zusammen, um es in die Mülltonne zu werfen. Die sich vermutlich hinter dem Haus befand.
    Sie öffnete die Hintertür, und dort, direkt vor ihr, befand sich das leicht gekräuselte, glitzernde Blau, das man vor einer griechischen Villa vorzufinden erwartete. Neben dem Pool eine Hollywoodschaukel, ein Grill, Liegen, auf denen bereits Handtücher lagen. Und auf einer ein gebräunter nackter Körper, auf dem Bauch.
    Sie verspürte den vertrauten doppelten Schrecken der Vorfreude und der Irritation. Wie absolut typisch für Oliver, dass er nicht hier gewesen war, als er hätte hier sein sollen, und jetzt da war, als sie sich daran gewöhnt hatte, dass er nicht da war.
    »Du bist also doch da«, sagte sie. Sie hielt vorwurfsvoll das Moskitonetz in die Höhe. »Und schon jetzt hast du anscheinend das Haus demoliert.«
    Oliver hob blitzartig den Kopf. So blitzartig, dass zwischen den Armen, auf die er sich stützte, zwei ansehnliche Brüste auftauchten. Mit ihm war etwas sehr Seltsames vorgegangen. Sogar sein Gesicht hatte sich so sehr verändert, dass es nicht wiederzuerkennen war. Er war nicht mehr Oliver. Er war nicht einmal mehr ein Er. Er war eine Sie. Aber wenn nicht Oliver … »Wer?« sagte Annuka. »Sie! Wer sind Sie?«
    »Tut mir leid«, sagte Nicht-Oliver. »Ich bin Georgie. Wir wohnen hier. Ich und Oliver – ich und Mr. Fox. Wir haben das Haus von Bekannten von ihm.«
    Sie schaute auf das Moskitonetz.
    »Gehören Sie zum Putzpersonal?« fragte sie.
    Wie sein Koffer auf einer nichtasphaltierten Straße auf halber Höhe eines Bergs gelandet war, konnte sich Oliver nicht recht vorstellen, genausowenig, warum er offen war und seine Habseligkeiten verstreut herumlagen. Er stopfte sie hastig wieder in den Koffer, mit schlechtem Gewissen, weil er seine barmherzige Mission um zwei kurze Minuten verzögerte. Etwas anderes, was ihm schwerfiel zu begreifen, war, warum er, wie er jetzt bemerkte, ein Paar silberfarbene, mit Strass besetzte Schuhe mit hohen Absätzen in die Ferien mitgenommen hatte. Und ein seidenes Nachthemd. Und einen langen geblümten Abendrock.
    »Wir fahren weiter?« fragte Spiros. »Leben und Tod?«
    »Einen Moment«, sagte Oliver.
    Er stand wie hypnotisiert da und betrachtete den Rock. Ein schrecklicher Gedanke ging ihm durch den Kopf. Das »Annuka Vos« auf dem Adressanhänger konnte doch unmöglich bedeuten, dass dieser Koffer gar nicht ihm gehörte, sondern … O nein!
    Natürlich, dachte Annuka, als sie mit dem Moskitonetz im Arm dastand. Natürlich! Deswegen lagen überall im Haus orangerote Unterhosen herum! Deswegen hatte Oliver eine schlechte Nacht gehabt. Deswegen hatte er im Bett wild um sich geschlagen!
    Wie war es nur möglich gewesen, dass sie es nicht sofort begriffen hatte, beim ersten Anblick von Orangerot? Nachdem sie sieben Monate Zeit gehabt hatte, um herauszufinden, was er für einer war!
    Sie warf das Moskitonetz auf den Boden, lief ins Haus und griff nach ihrem Telefon.
    Und wenn, dachte Oliver, während er mitten auf der Straße stand, die Hände voller geblümter Seide und den Kopf voller allmählich dämmernder Einsichten, wenn sich ein Koffer, der Annuka Vos gehörte, auf der Insel befand, dann war möglicherweise auch –
    Sein Telefon klingelte. Er blickte auf den Namen, der auf dem Display aufgetaucht war. Natürlich. Wie hypnotisiert tippte er darauf und hielt es sich ans Ohr.
    »Das Putzpersonal!« sagte die vertraute Stimme. »Ja! Das bin ich! Das Putzpersonal! Ich kann es nicht glauben! Nicht einmal dir hätte ich das zugetraut. Obwohl es so absolut typisch ist! Sobald ich dir den Rücken kehre! Und ausgerechnet auch noch hier ! Du bringst sie auch noch hierher ! Ich organisiere ein Haus, in dem wir ungestört eine Woche allein sein können! Ich mache das, nicht du! Denn es gehört nicht Leuten, die du kennst! Es sind meine Freunde, danke vielmals! Du kennst sie nicht einmal! Und du wälzst dich in ihrem Bett herum mit ihr und ihren großen Titten und orangenen Unterhosen! Und bevor du überhaupt weißt, wo du bist, hast du das Haus demoliert! Und erwartest von mir, dass ich nach dir

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