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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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kurzärmeligen Hemden trugen eilig Kisten mit Champagner und Säcke mit Eis zum Tempel der Athene. Die Fred-Toppler-Stiftung tat auf unauffällige, aufregende Weise, wozu sie gegründet worden war: die zivilisierenden Werte der europäischen Kultur befördern. Während draußen im Rest der Welt …
    »Georgie, ich möchte mich vergewissern, dass ich dich richtig verstanden habe. Du hast am Pool gelegen. Nackt – nein – natürlich nicht – in der Sonne – ja. Und die Putzfrau ist rausgekommen? Ja … ja … Und hat alle deine Kleider in den Pool geworfen …? Alles … Alles, was im Koffer war …
    Natürlich … Ja … Ich verstehe … Georgie, hast du jetzt irgend etwas an …?
    Du hast was an …? Ein Moskitonetz …?«
    Während sie zuhörte, schlug Nikki erneut den Pass auf. Auch ohne sein gewohntes Lächeln hatte Dr. Wilfreds Erscheinung etwas Beruhigendes. Man sah ihn an und wusste, dass die Welt ein einfacher und unkomplizierter Ort sein konnte, dass man sein Leben leben konnte, ohne in einem Badezimmer von einer Putzfrau mit verrückten religiösen Überzeugungen belagert zu werden. Er war in London geboren, stellte sie fest. Er war britischer Staatsbürger. Und sein Name war so beruhigend wie seine Erscheinung. Sie ließ ihren Blick zu der entsprechenden Zeile schweifen, um sich daran zu freuen: »Vornamen/ Prénoms : OLIVER«. Ja! Das passte irgendwie zu ihm. Ebenso sein Name/ Nom : FOX.
    »Georgie«, sagte sie, »du bist im Bad, ja, aber in welchem Land befindet sich dieses Bad …?«
    Sie hörte Georgies Antwort nicht, denn ihr war gerade aufgefallen, dass die Schreibweise von Dr. Wilfreds Namen etwas eigenartig war.
    Doch Georgie hatte gar nicht geantwortet, denn sie hatte Nikkis Frage nicht gehört. Die Putzfrau hatte plötzlich einen neuen Grund zum Grollen entdeckt. Georgie hatte gerade erst begriffen, um was es sich handelte.
    »Mein Koffer!« schrie sie durch das Holz. »Was hast du mit meinem Koffer gemacht?«
    Mit ihrem Koffer? Mit welchem Koffer? Hier war kein Koffer!
    Es war natürlich ein Koffer dagewesen. Ihr eigener Koffer, der jetzt im Pool schwamm. Und ja, davor war noch ein Koffer dagewesen. Der mit dem Taxi gekommen war – Wilfreds Koffer.
    Georgie dämmerte eine heikle, beunruhigende Einsicht. Sie hatte wie so oft im Leben voreilig Schlüsse gezogen. Wilfreds Koffer war nicht Wilfreds Koffer gewesen. Er hatte der Putzfrau gehört. Die Putzfrau war mit dem Taxi gekommen. Und ihr Koffer mit ihr.
    Aber warum war die Putzfrau mit dem Taxi gekommen? Warum hatte sie einen Koffer mitgebracht?
    Und schlagartig wie ein Blitz nach dem anderen wurde Georgie alles klar. Die Putzfrau war überhaupt nicht die Putzfrau. Sie war als Gast ins Haus gekommen. Wie Georgie. Ein weiterer Gast. Von Oliver. Wie sie. Sie war Bestandteil von Olivers berüchtigter Vergangenheit. Oder seiner berüchtigten Gegenwart – wie sie.
    Die Belagerung der Tür schien für den Moment wieder eingestellt worden zu sein. Statt dessen waren die Geräusche der Koffersuche im Haus zu hören, Türen, die aufgerissen wurden, Tische, die verschoben, und Stühle, die umgeworfen wurden. Georgie überlegte, ob sie durch die Tür schreien sollte, dass der Koffer vermutlich noch vor dem Tor stand, wo ihn der Taxifahrer abgestellt hatte. Doch dann fiel es ihr wieder ein – er stand nicht mehr dort. Sie selbst hatte ihn ins Taxi zurückgestellt. Demnach war er jetzt …
    Wo immer Wilfred war. Der einen Vortrag hielt. Weg.
    Jeden Moment konnte die Frau zurückkommen, kofferlos, wütender als je zuvor. Vielleicht wäre es eine gute Idee, dachte Georgie, dem Beispiel des Koffers zu folgen – aus dem Haus zu verschwinden und sich weit weg zu begeben.
    Oliver lehnte den Kopf gegen das Fenster des Taxis und sah gedankenverloren einem Flugzeug nach, das gerade vor ihnen gestartet war. Hoch, hoch hinauf stieg es und fing den abendlichen Sonnenschein ein, während es an Höhe gewann. Er fühlte sich wie das Flugzeug – leicht, unbelastet, frei. So wie das Flugzeug wie durch Zauberei in der Luft schwebte, war er zu Dr. Norman Wilfred geworden. So mühelos wie das Flugzeug die Landschaft unter sich drehte, hatte er die Achse der Welt ein wenig verschoben. Er hatte die große Langeweile der Dinge ein bisschen abgewandelt, die unermessliche, gähnend langweilige Vorhersagbarkeit der Planeten, die sich um die Sonne drehten.
    Dann, ebenso mühelos, war er wieder zu Oliver Fox geworden und war auf und davon. Er hatte nichts, was er durch den

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