Willkommen im sonnigen Tschernobyl
begeistern, sondern strahlte nur eine gekünstelte Version des angespannt defensiven Stolzes aus, der das gesamte PR -Unterfangen kennzeichnete. Es ist einfach nur abstoßend, einer Ölgesellschaft dabei zuzusehen, wie sie zu beweisen versucht, dass sie nicht nur umweltfreundlich, sondern sogar irgendwie in der Umweltbranche tätig ist. Statt ein paar klarer Worte von einem Mann mit Rohrzange in der Hand, müssen wir Ölfirmenlogos ertragen, die wie Sonnenblumen aussehen, und Websites mit Schmetterlingen und Efeu. (Während ich die sen Text schreibe, präsentiert sich Suncor auf www.suncor.com mit dem Bild eines Tannenschösslings, der zwischen ein paar saftigen Grashalmen heraussprießt.) Wen wollen sie überzeugen? Sich selbst?
Auf dem Rückweg zur Aufbereitungsanlage bemerkte ich, dass neben der Schütte, auf dem Wall oberhalb der Extraktionsanlage, gearbeitet wurde. Zwei Muldenkipper fuhren rückwärts auf die Schütte zu, beide voll beladen mit Ölsand.
Ich beugte mich über Sri Ganapathi, reckte den Hals, damit ich besser sehen konnte, und machte Fotos, als einer der Kipplaster seine Ladefläche hochfuhr, um den Sand in den Trichter zu schütten. Doch genau in dem Moment fuhren wir an einem Gebäude vorbei, das die Sicht versperrte. Mindy konzentrierte sich weiterhin auf den wunden »grünen« Punkt und erzählte uns, Suncor habe sein Gelände so üppig bepflanzt, dass darauf sogar Rehe lebten.
»Jagen ist dort verboten«, sagte sie. »Die Tiere sind also ziemlich glücklich.« Wissen Sie, Suncor ist nämlich kein Multimilliarden-Ölunternehmen, sondern eine friedliche Oase für Rehe und Kröten. Ich hätte kotzen können.
Die Sicht wurde wieder frei und ich bekam den zweiten Truck zu Gesicht. Vierhundert Tonnen klebriger, schwarzer Erde – eine feste, über fünf Meter hohe Masse, ausreichend für zweihundert Barrel Öl – glitt geschmeidig von der hochgefahrenen Kippe ins offene Maul der Schütte. Ich hatte das Gefühl, ein echtes, lebendes Organ des Tieres, das auch als unser Heißhunger auf fossile Brennstoffe bekannt ist, gesehen zu haben. Der Appetit gehört zu einem Körper, einem Körper mit vielen Mün dern, von denen einige in den Rand der Abbaugebiete von Alberta gebaut sind.
Die Trucks senkten ihre Kippen wieder ab und machten sich zur nächsten Fuhre auf. Ich hatte gesehen, wie der Mensch einen kleinen Bissen Welt genommen hatte. Der Bus fuhr weiter. Niemand sah hin.
*
»Und, zerstören wir die Erde?«, fragte Don.
Wir saßen im Wohnzimmer.
Nach der gefloppten Ölsandbustour konnte ich nicht sicher sagen, ob er und Amy die Erde wirklich zerstörten. Ich deutete jedoch an, dass die Marktlücke für Ölsandbustouren noch Raum für Wettbewerb bot.
Nach dem scheinheiligen Geschwafel auf der Tour tat es gut, mit Don zu sprechen. Doch selbst er war anscheinend grundlegend zwiegespalten. Don war Ölsandingenieur, hatte aber auch einen Abschluss in Umweltwissenschaften. Er hatte seine Karriere auf der Seite der Rekultivierungsbefürworter begonnen und sprach mit Feuereifer darüber, was mit einem stillgelegten Tagebau möglich war – obwohl sein Arbeitgeber gerade erst mit der Rekultivierung der eigenen Abbaugebiete begonnen hatte.
»Man kann den Abraum hinterher wieder einfüllen«, sagte er. Als Abraum bezeichnet man die Erdschicht, die abgetragen wird, um an die Rohstoffe darunter zu gelangen. (Man ist versucht, aus dem Wort den Schluss zu ziehen, dass im Tagebau Landschaft und Wälder als etwas Überflüssiges gelten, das abgeräumt werden muss.) Im Rekultivierungsprozess kann der Boden mit Abraum – nun ohne Vegetation – wieder aufgefüllt werden.
»Und dann wird wieder bepflanzt«, fuhr Don fort. »Hügel werden aufgeschüttet und geformt, kleine Seen und Sümpfe angelegt.« Er beschrieb die Pflanzenfolge, die käme und aus der Landschaft etwas Ähnliches machen würde wie das, was vorher da war. Und so, als würde man einen Kuchen glasieren, könnte man die Umwelt ganz einfach wiederherstellen.
Aber Don meinte, er sei ein besserer Geologe als Umweltexperte. Deshalb bestand seine Arbeit nun darin, für Syncrude geologische Modelle auf der Basis von Untersuchungsergebnis sen aus möglichen Abbaugebieten zu erstellen: Bitumenvorkom men, Wassergehalt, Körnung, Gesteinsarten – es gab Dutzende Messgrundlagen. Die speiste Don alle in eine Datenbank ein, und dann konnte das Unternehmen entscheiden, wo genau es fördern würde, wo die Gruben und Strossen eingerichtet und die
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