Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
leidet und sein Haus seit vierundzwanzig Monaten nicht mehr verlassen hat? Oder nach dem einer Frau, die endlich wieder im Sattel sitzen müsste?«
Ihre Stimme wird immer lauter, und der dunkelhaarige Mann vergisst vorübergehend seine Zeitung, um uns zu belauschen.
Hoffentlich denken Sie jetzt: Wer ist diese sogenannte beste Freundin, die so gemein zu Lizzy ist? Aber ich fürchte, Sie denken: Zwei JAHRE? Vierundzwanzig Monate? Was zum Teufel stimmt nicht mit dieser Frau? Deshalb nehme ich mir ein bisschen Zeit und versichere Ihnen: Ich bin eine ganz normale dreiunddreißigjährige Frau, in jeder Hinsicht. Nicht übergewichtig. Der Bruch mit Joe half mir sogar, fünf Kilo abzunehmen, dank der erprobten Elendsdiät (was Besseres gibt es nicht). Und seither nehme ich auch nicht zu. Mein Haar ist nicht zu irgendeiner Katastrophe zurechtgestutzt, sondern schulterlang und blond mit Strähnchen, wie es sich für eine PR-Expertin gehört. Piercings habe ich nur in den Ohren und kein einziges Tattoo.
Und ich bin eins siebzig groß, mit High Heels. Weil ich die immer trage, bilde ich mir gern ein, das wäre meine richtige Größe, trotz des offensichtlichen Gegenbeweises.
Auch vorher hatte ich ein paar Dürreperioden. Wer hat die nicht? Aber zwei Jahre sind ein neuer Rekord, sogar für mich. Und wenn ich es mit Lulus Liebesleben vergleiche, wird es noch schlimmer.
Lulu wechselt ihre Beziehungen so oft wie ihre Frisuren.
Okay, Frauen, die sie nicht so gut kennen, halten sie für eine Schlampe. Wenn sie das wüsste, wäre sie entsetzt. In Wirklichkeit ist sie wahnsinnig romantisch. Jeder neue Mann in ihrem Leben ist der einzig Richtige, jede neue Begegnung ein fabelhaftes Abenteuer, selbst wenn die Beziehung nur ein paar Wochen dauert. Meistens bewundere ich ihren Glauben an die Liebe, an so viele Möglichkeiten und schönste Hoffnungen.
Aber in diesem Moment ärgert sie mich maßlos. »Ich wünschte, ich wäre so wie du, Lulu.« Das meine ich ernst. Zumindest ein bisschen. »Aber ich bin’s nicht. Du kannst kaum aus dem Haus gehen und eine Flasche Milch kaufen, ohne einen faszinierenden neuen Mann zu treffen. Leider ist mein Leben anders. Viel komplizierter.«
Verächtlich schnauft sie und schenkt uns noch einmal Wein ein. »Wieso kompliziert, Harrison? Du bist ein Single, hinreißend, clever und witzig. Und du brauchst einen Mann im Bett. Warum ist das kompliziert?«
»Ich lerne keine neuen Leute kennen, so wie du. Wirklich nicht. Die kommen nicht in meinen Friseursalon und setzen sich hin, erzählen mir von ihrem Liebesleben und fragen mich nach meinen Dates aus. Und ich wohne auch nicht bei meinem Zwillingsbruder, der mich alle fünf Minuten
mit einem seiner Freunde bekannt macht. Ich arbeite in einem Büro voller Frauen. Außerdem wohne ich allein! Aber ich versuche es! Es ist ganz sicher nicht meine Schuld, dass ich dem Richtigen noch nicht begegnet bin.«
Ganz bestimmt nicht. Aus irgendwelchen Gründen sind die meisten meiner Freundinnen genau zu der Zeit in feste Hände geraten, als Joe und ich uns getrennt haben. Und fast über Nacht ging meine sorglose, amüsante Existenz voller Hochzeitsfeste und riesiger Partys über zu endlosen Taufen und Kindergeburtstagen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Wie gesagt, ich mag Kinder. Aber ich finde es einfach nicht richtig, dass ich den letzten Kuss eines männlichen Wesens von einem Zweijährigen bekam, der mit Erdbeereis beschmiert war.
Plötzlich greift Lulu über den Ledersitz hinweg und packt meine Handtasche. Sie steckt ihre Hand hinein und zieht mein babyblaues Smythson- Tagebuch hervor (ein Geschenk von Camilla). Triumphierend schwenkt sie es über ihrem Kopf. Mein Magen dreht sich um. Sorgen Sie sich nicht, da stehen keine tiefschürfenden Gedanken oder vertraulichen Geständnisse drin. Wenn ich so ein Tagebuch führte, würde ich es nicht in der Öffentlichkeit mit mir herumtragen, sondern an einem geheimen Ort verwahren. Hier geht es um einen Terminkalender. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich will, dass alle Gäste in der Bar erfahren, was ich für diese Woche geplant habe.
»Lass mich mal seeeeehen.« Aufs Geratewohl öffnet Lulu das Buch. »Mittwoch, Club der alten Jungfern. « Kopfschüttelnd blättert sie weiter. »Ich wusste es doch! Du hast diesen Termin bis zum Ende des Jahres eingetragen. Harrison, wir haben erst Juni.«
»Natürlich habe ich das!«, protestiere ich. »Wir treffen uns doch jeden Mittwoch. Seit einer Ewigkeit. Warum soll ich das
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