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Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pippa Wright
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um den Platz machen, den ich in der Prostitutionshierarchie einnehmen könnte. »Du wirst immer erste Klasse sein. Aber worauf es ankommt: Du musst mit fremden Männern
reden und ein bisschen lockerer werden. Das schaffst du nicht, wenn du ständig in deinen sicheren kleinen Yoga- oder Italienisch-Gruppen rumhängst – oder alle anderen Termine einhältst, die in deinem blöden Kalender stehen.«
    »Es geht nicht um Sicherheit«, widerspreche ich, während Lulu mein Glas nachfüllt. Wie viel haben wir wohl inzwischen getrunken? »Ich tue einfach nur, was ich mag.«
    »Das glaubst du. Aber du steckst in einer Tretmühle fest.« Jetzt klingen ihre schlauen Sprüche schon ein bisschen unartikuliert. »Ich weiß das. Du musst dich entspannen. Lass dich endlich mal gehen, Harrison, und nutz deine Chancen!« Sie steht wieder auf. »Elizabeth Harriet Harrison!« Noch mehr temperamentvolle Gesten, noch mehr verschütteter Wein. Aber das bemerkt unser Nachbar nicht, weil ihn das Thema so brennend interessiert. »Von jetzt an wirst du meinen Rat befolgen und lernen, die Kontrolle zu verlieren!«
    Bewundernd schaut der Franzose zu ihr auf. Sie weiß offensichtlich, wovon sie redet, denn ihre Bewegungen wirken nicht mehr allzu kontrolliert.
    Und dann fällt sie in seinen Schoß.

4
    Um fünf Uhr morgens erwache ich mit trockenem Mund und erleide Höllenqualen.
    In meinen Zwanzigern habe ich dauernd über so einen Kater gejammert und ihn ganz einfach mit einem Schinkensandwich und einer Post-mortem-Party mit meinen Mitbewohnerinnen bekämpft. In den Schläfen spürte ich damals nur einen ganz leichten Schmerz, im Magen eine geringfügige Übelkeit. Nichts, was sich nicht mit einer Tasse Tee kurieren ließ. Wenn es etwas schlimmer war, gönnte ich mir ein heilendes Ginger Beer. In meinen Dreißigern wurde alles anders. Am Morgen nach der Feier meines dreißigsten Geburtstags erwachte ich mit der festen Überzeugung, ich wäre der schrecklichste Mensch auf der Welt.
    Alles, was ich jemals getan hatte, war eine Katastrophe gewesen. Alles, was ich jemals tun würde, müsste zu grauenvollen Konsequenzen führen. Ohne mich an die Einzelheiten zu erinnern, wusste ich, dass ich mich auf meiner eigenen Geburtstagsparty ganz furchtbar blamiert hatte. Hatte ich nicht darauf bestanden, eine Rede zu halten, trotz Joes Warnung, dass ich zu betrunken sei? Hatte ich während besagter Rede nicht sogar geheult (keine Ahnung,
warum)? Hatte ich nicht zwei Stunden lang auf einem Tisch getanzt? War ich nicht heruntergefallen? Was hatte ich sonst noch getan? Zweifellos riefen sich in dem Moment gerade alle meine Freunde gegenseitig an, um über mich zu lachen und sich für ein Treffen im Lauf des Tages (ohne mich) zu verabreden, um noch mehr zu lachen. Diese Sorge drückte mich wie ein hundert Kilo schweres Gewicht in mein Bett. Glücklicherweise lag Joe an jenem Morgen neben mir, mit trüben Augen und verschlafen, aber kein bisschen entsetzt über meine Eskapaden.
    »Nur Kater-Paranoia, Lizzy«, murmelte er in sein Kissen und schlang einen tröstenden Arm um mich. »Alle haben mitbekommen, dass du betrunken warst. Schlaf einfach weiter. Du warst toll, du warst amüsant. Warum solltest du dich auf deiner eigenen Geburtstagsparty nicht betrinken dürfen?«
    Natürlich hatte er recht. Aber wenn man in die Klauen so grässlicher Ängste gerät, hört man nicht auf die Stimme der Vernunft.
    Und jetzt, wo ich allein lebe, liegt kein warmer Männerkörper neben mir, den ich wachrütteln kann, damit er beteuert, dass ich soooo schrecklich ja gar nicht sei. Der Kummer über meine Einsamkeit – zwei Jahre, nachdem Joe mich verlassen hat, bin ich immer noch allein – droht mich erneut zu verunsichern. Deshalb rede ich meinem verkaterten Ich gut zu. Ich bin kein schlechter Mensch. Vielleicht habe ich mich betrunken. Aber ich bin viel zu verklemmt, um in diesem Zustand irgendwas zu tun, das ich bereuen müsste.
    Wie Lulu zu sagen pflegt: »Hast du den netten Busfahrer angekotzt, der dich an der Endstation wecken musste?
Nein. Hast du Gordon Ramsay beim Dinner in einem seiner Restaurants deine Titten gezeigt? Nein. Habe ich so etwas getan, wenn ich besoffen war? Ja, habe ich. Und ich bin auch kein schlechter Mensch. Also reiß dich zusammen.«
    Dem Himmel sei Dank für Lulu. Immer wieder hilft sie mir, mich selber zu mögen. Aber heute Morgen ... Moment mal, allmählich kehrt die Erinnerung an den letzten Abend zurück.
    Wir waren bei der dritten Flasche

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