Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
also nicht in meinen Terminkalender schreiben?«
»Dafür gibt es einen wichtigen Grund.« Etwas zu vehement schlägt sie mit der Faust auf den Tisch. Wie viele Gläser Rose hat sie schon getrunken? »Du denkst nicht einmal an die Möglichkeit, in deinem Leben könnte sich irgendwas ändern. Wer weiß, wo du in sechs Monaten bist? Wo ich dann bin?«
»Werd nicht hysterisch, Lulu. Du bist meine beste Freundin, und ich reserviere dir jede Woche einen Abend in meinem Terminkalender, weil ich mich gern mit dir unterhalte. Warum ist das falsch?«
»Weil ...« Sie schlägt wieder auf den Tisch. O Gott, jetzt hat sie ihre Vier-Gläser-Grenze überschritten und beginnt Unsinn zu reden. »Weil du auch deine Yogakurse am Montagabend bis zum Jahresende eingetragen hast. Und deine Italienischkurse am Dienstagabend. Was für ein durchgeknallter Kontrollfreak bist du eigentlich?«
Jetzt hat der dunkelhaarige Mann alle Versuche aufgegeben, so zu tun, als würde er seine Zeitung lesen. Schamlos hört er uns zu.
Beifall heischend wendet Lulu sich an ihn und schwenkt meinen Kalender in seine Richtung. »Also, ich frage Sie – ist das normal?«
»Nuuun, es iiist ein biiiisschen seeeltsam«, antwortet er mit einem richtig französischen Achselzucken. Entweder ist er wirklich Franzose, oder er kriegt es großartig hin, diesen Eindruck zu erwecken.
»Wenn mich Ihre Meinung interessiert, werde ich danach fragen, Monsieur «, schnauze ich ihn an. Dann bohrt
sich mein zorniger Blick wieder in Lulu, die ihm ein strahlendes Lächeln schenkt – dankbar für einen Verbündeten bei ihrer Vernichtung meiner Existenz.
»Glaub mir, Lulu, ich führe ein ausgefülltes Leben, ich treibe mich da draußen in der großen, weiten Welt herum, ich versuche, Leute kennenzulernen. Siehst du das nicht?«
»Nein, das tust du keineswegs. Das da ist kein Kalender, sondern eine To-do-Liste. Du stopfst deinen Alltag mit blöden Kursen und Besprechungen voll, weil du Angst vor dem Zufall hast. Dem willst du dich nicht ausliefern. Du fürchtest dich vor einer Begegnung, die du nicht unter Kontrolle haben könntest.« Lulu klappt das Büchlein zu und wirft es auf den Tisch. Hastig greife ich danach, bevor es in die Hände des indiskreten Franzosen fällt.
»Ach, zur Hölle mit dir, Miss Freud!«, verteidige ich mich. »Auch beim Yoga könnte ich einen Mann kennenlernen. Im Montagskurs treffe ich sehr viele attraktive Männer, falls du es unbedingt wissen musst.«
Mitleidig schaut sie mich an. »Auch ich habe schon mal bei Yogakursen mitgemacht, Harrison. Und ich sage dir, Süße, du verdienst was Besseres als einen langweiligen Typen mit strähnigem Bart, der die feminine Seite seines Wesens zu wichtig nimmt. Außerdem hasst du den Geruch von Patschuliöl.«
Da hat sie recht.
»Verstehst du’s endlich, Süße? Dein Verhalten ist nicht normal.«
»Doch, Lulu, völlig normal. Warum versuchst du, mein Leben in Stücke zu reißen? Das begreife ich nicht. So wie es ist, gefällt es mir.«
»Tatsächlich?« Sie beugt sich vor und starrt mich eindringlich
an. »Tatsächlich? Weißt du, ich habe schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass uns dieser Club der alten Jungfern nicht guttut. Ich meine – sollen wir uns wirklich jeden Mittwoch treffen und über unser Single-Dasein diskutieren? Bis in alle Ewigkeit?«
»Natürlich nicht.«
»Dann müssen wir was anderes machen, Harrison. Und wenn ich sage – wir, meine ich dich.« Lulu schiebt den Tisch weg, steht auf und hebt dramatisch ihr Weinglas hoch. Dabei schüttet sie ein bisschen Rose auf das weiße Hemd des Le-Monde -Lesers. Doch das scheint ihn nicht zu stören. Mit unverhohlener Bewunderung in den dunklen Augen schaut er sie an. »Es ist an der Zeit, dass wir dir einen Mann verschaffen, Lizzy Harrison!«
»Klar, vielen Dank«, zische ich. »Riesig nett von dir, die ganze Bar darüber zu informieren.« Energisch ziehe ich sie auf ihren Platz zurück, bevor die neugierigen Geschäftsmänner am Nebentisch auf dumme Gedanken kommen. »Und was genau soll ich tun? Allein in Kneipen rumhängen und fremde Kerle anquatschen?«
»Nun ...« Kerzengerade richtet sie sich auf, und die neuen Locken wippen emphatisch. »Das wäre kein schlechter Anfang, Harrison.«
»Also wirklich«, stöhne ich. »Meinst du, ich würde allein losziehen? Wie armselig ist das denn wohl? Wofür hältst du mich?«
»Du wirst niemals armselig sein, Süße.« Beruhigend tätschelt sie meine Hand, als würde ich mir echte Sorgen
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