Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pippa Wright
Vom Netzwerk:
Menge, die lauthals jubelt, und genießt die Standing Ovations. Vermutlich glauben alle, die Attacke würde zur Nummer gehören.
    Randy zupft an seiner engen Jeansjacke, die nur bis zum breiten Ledergürtel in den Schlaufen der noch engeren Jeans reicht. Bei jedem anderen würde das Übermaß an Denim, kombiniert mit langem Haar und Cowboystiefeln, auf einen zwielichtigen Heavy Metal Roadie aus den Siebzigerjahren hinweisen. Aber irgendwie wirkt jeder Mann in diesem Raum hoffnungslos uncool verglichen mit Randys protzigem Selbstvertrauen und seinen scharf gezeichneten Zügen. Trotzdem wette ich, dass er genauso stinkt wie ein Roadie.
    Hinter ihm hat man es endlich geschafft, Dave auf die Beine zu zerren. Sichtlich verzweifelt, lässt er sich hinter
die Kulissen scheuchen. Vor lauter Mitleid kann ich ihn kaum anschauen. Gewiss, man könnte argumentieren, Randy habe ihn vor einer niederschmetternden Comedy-Blamage bewahrt. Aber Dave hätte wenigstens eine Chance verdient, vor uns allen auf der Bühne gekreuzigt zu werden. Das würde er sich wünschen.
    »Wo war ich?«, wiederholt Randy. »Ach ja, im Entzug. Dort war ich, meine Schöne«, er wendet sich einer stattlich gebauten rothaarigen Frau an einem der vorderen Tische zu. »Haben Sie das auch schon mal ausprobiert?« Er beugt sich vor, stolpert über seinen eigenen Stiefelabsatz und fällt beinahe in ihr beachtliches Dekolleté. »Ups, fast wäre das schiefgegangen«, lacht er und taumelt nach hinten, um sein Gleichgewicht zurückzugewinnen.
    »Stockbesoffen«, murmelt Dusty. Stimmt...
    Randy wankt über die Bühne, schwingt das Mikrofon an seinem Kabel und scheitert beim Versuch, es aufzufangen. Vergeblich versucht er es erneut. Ein Mal, zwei Mal. Beim dritten Mal schafft er es. Die Leute lachen. Offenbar glauben sie, er würde das absichtlich machen. Aber ich fürchte, er ist tatsächlich unfähig, irgendwas zu tun, das eine gewisse Koordination erfordert. Ich halte nach Kameras Ausschau. Eine Wiederholung so blamabler Fotos wie in der Hot Slebs können wir uns nicht leisten. Aber das Publikum staunt immer noch, weil er hier ist, und niemand denkt an Schnappschüsse.
    »Entzug, Entzug, Entzuuuug«, lallt Randy. Dramatisch dehnt er das U. »Wie Sie sehen, funktioniert das wie Zauberei.« Zum Entzücken der Zuschauer streckt er die Arme hoch und wirft seinen Kopf in den Nacken, posiert wie ein Rockstar und wartet, bis der Applaus verklingt. Unfassbar
 – klatschen die Leute wirklich, nur weil er völlig betrunken ist? Halten sie das alles immer noch für eine witzige Show?
    Plötzlich sinkt Randys Kopf nach vom, seine Stimme ist fast nicht mehr zu hören. »Toller Zauber – und so charmante Betreuerinnen ...« Dann bekommt er einen Schluckauf. »Genau richtig für Prince Charming.« Geräuschvoll rülpst er, und ich fange den Blick auf, den der Moderator und Stanley Judd an der Bühnenseite wechseln. »Für Prince Charming, für Prince Charming.« Halb flüstert, halb singt Randy ins Mikrofon und fixiert die Spitzen seiner Stiefel.
    Das Publikum lacht nicht mehr. Und Randy auch nicht. Noch ein Rülpser, und ich merke im selben Moment wie der Moderator, dass der Star gar nicht rülpst. Randy Jones schluchzt.
    Ehe mir bewusst wird, was ich tue, stehe ich vor der Bühne. »Randy«, zische ich, »Randy, ich bin’s, Lizzy«
    Er schaut auf, versucht seinen Blick auf mich zu richten und schnieft: »Lizzy?« Natürlich ist er in jeder Situation ein Profi, und so hat er vorher das Mikrofon an die Lippen gehoben, damit jeder hört, wie mein Name aus den Lautsprechern tönt. Besten Dank, Randy.
    »Lizzy Harrison von Carter Morgan, Camillas Assistentin.« Ich versuche zu flüstern. Aber alle Gäste an den vorderen Tischen spitzen die Ohren.
    »Ah, Lizzy!«, ruft Randy (wieder ins Mikrofon) und mustert mich dankbar, wenn ich auch vermute, dass er noch immer nicht weiß, wer ich bin. Wenigstens besänftigt ihn der magische Name Camilla. Er macht einen langen Schritt in meine Richtung, lässt das Mikrofon fallen
und breitet die dünnen Arme aus, um seine Retterin willkommen zu heißen. Unglücklicherweise berechnet er den Schritt falsch, so wie alle Ereignisse an diesem Abend. Sein rechter Fuß rutscht über den Bühnenrand. Sekundenlang schwankt er auf seinen Zehenspitzen, die Arme rudern verzweifelt rückwärts. Das Publikum hält den Atem an, als könnte er die Gesetze der Schwerkraft tatsächlich besiegen und sein Gleichgewicht wiedererlangen. Aber es soll nicht sein.

Weitere Kostenlose Bücher