Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
den komatösen Randy und mich.
»Hoffentlich kotzt Ihr Freund nicht alles voll, Lady.«
Dann drehte er das Radio auf volle Lautstärke. Aus den Lautsprechern gellte Belinda Carlisle. Ich öffnete das Fenster, schaute in die Nacht hinaus und ließ die kühle Luft über mein Gesicht wehen, während wir London durchquerten.
Randy übergab sich nicht und schlief die ganze Zeit, bis wir sein Haus in Belsize Park erreichten. Dort erwartete uns ein müder Bryan mit einem Schlüsselbund. Gemeinsam zogen wir Randy aus und brachten ihn ins Bett, wo er sich wie ein Kind zusammenrollte und »Nacht, Mummy« flüsterte, als wir die Tür schlossen.
Um nicht noch eine weitere einstündige Taxifahrt nach Peckham aushalten zu müssen, ließ ich mich von Bryan zu ein paar Stunden Schlaf in Randys Haus überreden. Da gibt es immerhin drei Gästezimmer, und ich stimmte dem Manager zu, dass der Junge in diesem Zustand nicht allein bleiben durfte. Keine Ahnung, warum Bryan nicht selbst auf seinen Klienten aufpasste. Aber ich war zu müde, um mit ihm zu streiten.
Um halb sieben weckte mich die Ankunft der Putzfrau, und ich nutzte die Chance zur Flucht. So gut es ging, frisierte ich mich und wischte die verschmierte Mascara unter meinen Augen weg. Trotzdem war es eine ziemlich derangierte Sekretärin, die mir aus dem Spiegel in der Eingangshalle entgegenblickte, und ich verzweifelte an meinem Leben.
Da bist du, Lizzy Harrison, dachte ich, fühlte mich elend und sah auch so aus. Soeben hast du eine Nacht mit einem Mann verbracht, der einst zum Verführer des Jahrtausends gewählt wurde. Und er hat nicht einmal ansatzweise versucht, dich anzugrapschen. Nun, wahrscheinlich
wäre er auch gar nicht mehr fähig gewesen, noch eine Hand zu heben, geschweige denn irgendwas anderes. Und obwohl ich Randy ungefähr so reizvoll fand wie den Gedanken, mir selbst mehrmals mit einem Hammer auf den Kopf zu schlagen, warf die Situation ein bezeichnendes Licht auf das Interesse des männlichen Geschlechts an meiner Person. Wenn ich Mr Testosteron höchstpersönlich völlig egal war, musste ich wirklich eine besonders intensive Nonnenausstrahlung haben. Ich fühlte mich elend, obwohl ich gar nichts Verwerfliches getan hatte. Als ich in den hellen Junimorgen hinaustrat, schwirrte mir der Kopf.
Sicher verzeihen Sie mir, dass ich auf den Paparazzi-Bildern, die mich auf Randys Eingangsstufen zeigen, abweisend und unfreundlich aussehe. Eine Fotoagentur hat sie gleich um acht Uhr an Carter Morgan gemailt. Zumindest finde ich mich passabler als auf den Handykamera-Fotos, die dieselbe Agentur kurze Zeit später ebenfalls mailt. Sie zeigen Randy, der am Boden des Pubs auf mir liegt und mich scheinbar begrapscht, von einem grinsenden Publikum angespornt. Mit meiner Brille, dem Haarknoten und der schockierten Miene sehe ich aus, als wäre ich einer Konferenz für Bibliothekare entflohen. Leider bildet mein züchtiges Outfit einen krassen Kontrast zu meinen Händen, die ich beim Versuch, Randys Sturz zu verhindern, scheinbar enthusiastisch in seinen Hintern kralle.
Natürlich treffe ich erst um zehn im Büro ein. Vorher bin ich nach Hause gefahren, um zu duschen, und dann in die City zurück. Also fand das Carter-Morgan -Personal genug Zeit, um die Fotos in allen Einzelheiten zu studieren. Glücklicherweise kam Lucy, einst dank Peter Stringfellow
kurzzeitig ein Promi, auf die großartige Idee, mir eine warnende SMS zu senden.
Wo bist du???? Bilder von dir + Randy Jones im ganzen Büro verteilt. Was ist passiert? Jemima ausgeflippt (mehr denn je). Nimm dich in Acht.
»Fabelhaft, Lizzy«, höhnt Jemimas Assistentin, als ich an ihr vorbeigehe. »Ich wusste gar nicht, was alles in dir steckt. Sogar Randy Jones’ Schwanz.«
»Guten Morgen, Mel«, antworte ich so unbedarft wie möglich. »Wie nett, dich zur Abwechslung schon um zehn hier anzutreffen.« Gewiss, das ist armselig. Aber etwas Besseres fällt mir nicht ein.
Nachdem ich den Spießrutenlauf bei den Jungs von der Poststelle, den Sekretärinnen und dem Buchhaltungspersonal absolviert habe, wissen zweifellos alle, die Putzfrauen inklusive, was passiert ist, und jeder macht sich seinen eigenen, maßlos übertriebenen Reim darauf. Lucy gibt mir aus ihrem Büro ein doppeltes »Daumen hoch«-Zeichen. Aber wie ich ihrem mitfühlenden Gesichtsausdruck entnehme, bedeutet das nicht, dass sie sich ebenfalls über mich amüsiert, sondern bekundet ihre Solidarität – in Schimpf und Schande sind wir vereint. Camilla
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