Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
James’s Park wären wir sicher. Da geht’s nicht so zu wie auf dem Primrose Hill, wo man sich kaum bewegen kann, ohne über irgendeine Schauspielerin und ihre fotogene Brut zu stolpern. Oder im Hampstead Heath Park, wo die Leute zu cool sind, um Stars zu bemerken. Aber dann simsen sie ihren Freunden hastig, an wem sie gerade vorbeigegangen sind. Meiner persönlichen Meinung nach muss man sich vor diesen Super-Coolen ganz besonders hüten. Der ehrliche Fan kommt direkt auf den Promi zu und genießt den glorreichen Moment, schildert ihn auf seiner Facebook-Seite, und alle freuen sich. Aber die scheinbar Desinteressierten, die weiterhin an ihren Kaffeebechern nippen und mit ihren Freunden schwatzen, simsen heimlich die Hot-Slebs- Website an oder versuchen mit ihrer Handykamera unter den Rock des Stars zu zielen. Und ich glaube, einer von dieser Sorte konnte an jenem Abend in dem Londoner Park, der die geringste Promi-Dichte aufweist, sein Glück nicht fassen. Denn irgendwie kam die Sun zu einem »Exklusivfoto«.
Bei Carter Morgan amüsieren sich alle köstlich, während die Schlagzeilen vom »endlich gezähmten wilden Randy« im ganzen Büro herumgemailt werden. Offiziell wissen sie vielleicht nicht, dass wir die Beziehung nur zum Schein eingegangen sind. Aber sie sind ausgebufft genug, um solche Meldungen mit Vorsicht zu genießen. Auf meinem Schreibtisch liegt ein dicker Stapel Brautmodezeitschriften, die hässlichsten Outfits wurden mit Post-its markiert (wer heiratet denn in einem Spitzentop und Hotpants?).
Lucy ruft an und will meinen nicht vorhandenen Ring sehen. Kurz gesagt, niemand glaubt das Ganze auch nur ansatzweise. Abgesehen von Winston, unserem alten Sicherheitsbeamten, der feierlich meine Hand küsst und mir alles Glück dieser Welt wünscht.
Freudestrahlend eilt Camilla um neun Uhr fünfzehn ins Büro (neun Uhr fünfzehn, fast pünktlich!). »Also hat die Entschuldigung funktioniert, Mrs Jones? Ha, ha! Sehr gute Arbeit, Lizzy, darüber werden die Leute etwa eine Woche lang reden.«
Also nehme ich das alles nicht besonders ernst und bereite mich auf einen weiteren entnervenden Anruf von Comedian-Kurier Dave vor. Wunderbarerweise hat er sein komödiantisches Selbstvertrauen – vor seinem Balham-Gate so irre lustig – zurückgewonnen. An diesem Morgen hat er schon drei Varianten an mir ausprobiert, im Stil von: »Ist dort Lizzy Harrison? Hier haben wir nämlich einen Wilden, der dringend gezähmt werden muss, Huuuuaaaaah!«
Aber diesmal ist mein Bruder Ben am Apparat.
Ich wäre nicht verblüffter gewesen, hätte sein Golden Retriever mit seiner weichen Pfote die Nummer gewählt. Mein großer Bruder telefoniert nämlich nicht, er simst. Lunch hier am Sonntag? Gib mir Bescheid ... Babysitten Freitag? ... Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag ... Manchmal mailt er auch, aber meistens leitet er dann nur grausige Gags weiter. Die schicken ihm seine Mitarbeiter in dem Gartencenter, das er managt, und deshalb führen sie nicht zu einer längeren persönlichen Kommunikation.
»Wow, Ben, wie nett, von dir zu hören! Wie geht’s dir? Und Jenny? Und Graham?«
Graham ist mein Neffe. Ja, ich weiß, wer nennt ein Baby
heutzutage Graham? Sogar meine zu spiritueller Reiselust neigende Mutter gab zu, dass sie mehrere intensive Meditationen benötigt habe, um den Namen ihres ersten Enkels zu akzeptieren. Aber Jenny behauptete, Graham sei ein seriöser Name, der dem Jungen im späteren Leben nützen würde.
»Zum Beispiel, wenn er Buchhalter oder Bankmanager wird«, stöhnte Lulu. »Wer hat jemals von einem Rockstar, Schauspieler oder Maler gehört, der Graham heißt. Armes Kind, schon in frühester Jugend dem Untergang geweiht.«
»Oh, Graham ist okay, wir alle sind okay – eigentlich rufe ich deinetwegen an«, antwortet Ben, und das klingt ein bisschen hinterhältig. »Eh – ich weiß, es ist lächerlich, und ich hoffe, du glaubst nicht, wir würden uns in dein Privatleben einmischen. Aber Jenny sagt, sie hätte diese Woche ein Foto von dir in der Woman’s Own gesehen. Mit Randy Jones.«
»In der Woman’s Own?« Sofort vollführt mein PR-Computergehim einen demografischen Sprung. Also sind Randy und ich in nur zwei Wochen von der Hot Slebs zur Woman’s Own aufgestiegen? Was wird sonst noch passieren? In meiner Fantasie tollen Randy und ich neben den Strickmustern von People’s Friend herum. Und in der Woche danach erörtern wir Hauspersonal-Probleme in The Lady. Was wird diese Sache denn noch
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