Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
wohl kaum in aller Munde. Und ganz sicherlich nicht in der Einsamkeit eines Aschrams, wo man jeden Tag fünf Stunden mit schweigsamer Besinnung verbringt.
»Nun...« Entschlossen schlägt Ben den Ton des Familienoberhaupts an. »Ich würde mir niemals anmaßen, dir vorzuschreiben, was du mit deinem Leben anfangen sollst.« Was offensichtlich bedeutet, dass er genau das vorhat. »Aber Mum hat ein Recht, davon zu erfahren. Ich hoffe nur, du weißt, was du tust – wenn du dich mit jemandem wie Randy Jones einlässt.«
Ich versuche, die Ironie der Situation zu ignorieren – die Assistentin einer PR-Managerin wird vom Manager eines Gartencenters über den Umgang mit Promis belehrt. Seit dem Tod unseres Dads fühlt Ben sich für mich verantwortlich,
und er nimmt die Rolle des älteren Bruders sehr ernst. Das muss ich respektieren. »O ja, ich weiß, was ich tue. Und es ist wirklich süß von dir, dir Sorgen zu machen. Aber das alles ist im Anfangsstadium, und ich amüsiere mich einfach nur ein bisschen. Dagegen hast du doch nichts einzuwenden?«
Im Hintergrund erklingt wieder Jennys Stimme, und ich verstehe nur einzelne Wörter. »Drogensüchtig – Weiberheld ...« Und dann etwas lauter und sehr eindringlich: »Woman’s Own.« Wird sie bis in alle Ewigkeit drauf herumreiten? Aber Ben scheint sie nicht zu beachten.
»Natürlich sollst du deinen Spaß haben, Schwesterchen. Tut mir leid, wenn ich zu sehr den großen Bruder raushängen lasse. Pass einfach nur auf dich auf, Lizzy.«
Noch immer höre ich Jenny protestieren. »Und was ist mit Graham?« Als wäre Randys Beziehung zu mir nur ein Vorwand für seine wahren Absichten – einen unschuldigen Zweijährigen aus irgendeinem Londoner Vorort zu verderben, von dessen Existenz er gar nichts weiß ...
Beharrlich fährt Ben fort: »Und wenn was Ernstes draus wird – bei uns in Guildford ist er jederzeit willkommen, wenn du ihn mal zum Lunch mitbringen möchtest – oder so ...«
Dann scheint ihn sein eigener Vorschlag zu erschrecken, denn er unterbricht sich zögernd. Gemein, wie ich bin, fange ich an zu lachen, was ich aber blitzschnell in einen Hustenanfall ummünze. Der Gedanke an Randy, wie er auf dem Ledersofa meines Bruders sitzt, die Augen mit Eyeliner umrandet, den blonden Pferdeschwanz mit einem Goldband zusammengebunden, umgeben von Lego- Steinen und Gärtnermagazinen, ist einfach zu grotesk.
Das kann ich dem armen Ben nicht zumuten, selbst wenn Randy sich ohne heftigen Widerstand aus London herausschleifen ließe.
»Eh – vielen Dank, Bruderherz. Wenn wir wirklich anfangen, miteinander auszugehen, bist du der Erste, der Randy kennenlernen wird.«
Wir verabschieden uns, und ich verspreche, Ben und Jen und Graham bald zu besuchen, mit oder ohne meinen Promi-Freund. Seufzend lege ich auf und fühle mich ziemlich mies, weil ich meinen Bruder belogen habe, der so nett und besorgt um mich ist. Aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es nicht mehr lange so gehen wird. Und ihm tut es andererseits bestimmt auch ganz gut, endlich zu begreifen, dass ich nicht immer die vernünftige Schwester bin, für die er mich hält.
Doch ich finde keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, weil den ganzen Vormittag pausenlos das Telefon klingelt. Da trudeln ein paar unheimliche Nachrichten ein, inklusive einer verstohlenen Mitteilung von Jazmeen Marie (dauergebräuntes Anhängsel der Jungs aus der ersten Fußballliga und Stammgast des Chinawhite Clubs ), die mich fragt, ob ich sie treffen möchte. Wir könnten unsere Erfahrungen mit Randy austauschen. Da sich meine Erfahrungen wohl kaum mit ihren messen lassen, lösche ich die Mitteilung, ohne zu antworten.
Dann durchschaue ich mühelos Lulus getürkten Anruf vom Hello -Magazin. Sie wollten exklusiv über meine Hochzeit berichten (»wir hätten Platz für eine üppige Fotostrecke, direkt neben einer Fotomontage über Prinz Pavlos von Griechenland«). Um das wiedergutzumachen, lädt sie mich für Samstagabend zum Dinner ein und schlägt
mir vor, meinen Verlobten mitzubringen (sie glaubt nichts von den Hochzeitsgerüchten). Obwohl Randy und ich uns seit unserer großen Aussprache viel besser verstehen, bin ich noch nicht bereit, ihn mit irgendwem bekanntzumachen. Und irgendwie sehe ich ihn auch nicht am zerkratzen Resopaltisch in Lulus und Dans Küche in Brixton, wie er sein Weinglas hin- und herschiebt und stundenlang blöde Gesellschaftsspiele mit uns macht. Also sage ich zwar, dass ich ihn mal fragen
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