Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
halten uns an den Händen und schauen zum Himmel hinauf, wo die ersten Sterne blinken.
Nach einer Weile fragt Randy: »Warst du eins von diesen schwärmerischen Mädchen? Als du jünger warst?« Allmählich wird es dunkler.
»In meiner Teenagerzeit bin ich nur selten ausgegangen«, sage ich leise, voller Unbehagen. Darüber will ich nicht reden.
»Warum, Babe?« Randy dreht sich auf den Bauch und
schaut mich an. »Warst du so hässlich? Hat sich kein Junge für dich interessiert?«
»Daran lag es nicht.« Ich lache nervös und zupfe an einem Grashalm neben Randys Arm.
»Was war’s dann? Wurdest du nach Amish-Prinzipien erzogen?«
»Ja, genau. Ich durfte mich nicht mit den Engländern und ihren neumodischen Geräten und Versuchungen abgeben. Wie hast du das erraten?«
»Darauf hat mich deine Unfähigkeit, mit einem DVD-Player umzugehen, gebracht«, hänselt er mich und streicht eine Haarsträhne aus meiner Stirn. »Und deine Begeisterung für Pferdewagen. Nein, im Ernst – warst du auch ein Sonderling mit Brille?«
»Nun...« Wie viel soll ich diesem fast Fremden von meinem Leben erzählen? »Als ich sechzehn war, starb mein Dad. Danach wollte ich mich nicht amüsieren. Irgendwann entschloss ich mich regelrecht dazu. Aber es dauerte eine Weile, bis die Leute mich normal behandelten.«
»O Babe, tut mir so leid.« Zärtlich küsst er meinen Scheitel. Eine Zeit lang schweigen wir wieder, bis er fragt: »Wie war er, dein Dad?«
Wie soll ich anfangen? »Er – er war einfach mein Dad, weißt du? Ein Biologielehrer. Am meisten begeisterte er sich für Botanik. Wäre er jetzt hier, würde er wahrscheinlich einen Vortrag über die verschiedenen Grassorten halten, auf denen wir liegen.«
»Grassorten?«, wiederholt er skeptisch. Vielleicht hätte ich was Interessanteres über Dad erwähnen sollen, weil Randy sich immer nur kurz auf etwas konzentrieren kann. Aber etwas anderes ist mir nicht eingefallen.
»Ja, ich weiß, das klingt eigenartig. Mein Bruder und ich – wir haben uns ganz schrecklich gelangweilt, wenn wir uns Dads Lektionen über Pflanzen anhören mussten. Jetzt habe ich längst vergessen, was er uns beibringen wollte. Aber ich würde alles dafür geben, wenn ich ihm noch ein einziges Mal zuhören könnte.«
»O Lizzy...«, flüstert er und drückt seine Wange an meine. »Das ist so traurig.«
Während es immer dunkler wird, schmiege ich mich an ihn, und er streicht behutsam über mein Haar. So unschuldig und keusch kommt mir das alles vor – und doch irgendwie viel intimer als unsere Stunden im Bett.
Natürlich werden wir später trotzdem dort landen.
15
Lulu ist ganz aus dem Häuschen, weil Randy und ich als Paar auf ihrer Geburtstagsparty erscheinen werden. Beinahe lenkt sie das von der Frage ab, was sie anziehen soll. In unserem Freundeskreis sind die Geburtstagsfeiern der Miller-Zwillinge legendär. Und während unserer Jugend entstand oft der Eindruck, dass alle anderen Sommerfeste eigentlich nur Proben waren für ihre Party, das wichtigste Event des Sommers.
Jahrelang beharrten sie auf extravaganten Kleiderthemen, von »Seemann, ahoi« bis zu »Fußballer und ihre Frauen«. Die Diskussionen über geeignete Outfits waren in den Wochen vor der Party das alles beherrschende Gesprächsthema. Letztes Jahr wurde Lulu aus einer Bar verbannt, weil sie auf einem aufgeblasenen Gummialligator die Treppe heruntergerutscht war (Thema: »Dschungel«), und daraufhin hatte Dan entschieden, dass es bei der nächsten Fete zivilisierter zugehen müsse.
Lulu und ich beklagten uns bitter, weil er uns keine Gelegenheit mehr gab, in albernen Kostümen zu brillieren. Denn wir vertreten beide den Standpunkt: Festkleidung sollte komisch sein. Schon immer haben wir die Mädchen, die sich für Partys möglichst sexy anziehen, ein bisschen
verachtet. Ich meine, es ist kinderleicht, als Prinzessin Leia in einem goldenen Bikini auf einer »Universum«-Feier zu glänzen. Aber finden Sie eine Miss Piggy aus Muppets – Schweine im Weltall nicht viel origineller? Andererseits, vielleicht war das der Grund, warum sich auf den Miller-Partys in all den Jahren kaum jemand mit mir unterhalten wollte. (Lulu hingegen ließ sich von einem Plastikrüssel und von Plastikohren natürlich nicht daran hindern, mit dem begehrtesten Typen des Abends nach Hause zu gehen.)
Diesmal findet die Party nicht in dem Garten eines Pubs statt, da ihre Eltern einen eleganteren Schauplatz bezahlen. Deshalb verzichtet Lulu nur zu gern auf
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