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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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rasch zum Tempel von Quetzalcoatl. Seine Kehle war trocken, und sein Herz pochte wild. Sie sah gleichermaßen angespannt aus. Er bemühte sich, exakt seinen Schritten zu folgen. »Ich kam von hier«, sagte er, »und direkt hier, an dieser Stelle, als ich die Fassade zum ersten Mal sah …«
    »Ted, bitte nicht. Bitte.«
    »Möchtest du es versuchen? Vielleicht gehst du ihm hinterher.«
    »Bitte. Versuchen wir es nicht.«
    »Ich muß«, sagte er. Er folgte stirnrunzelnd seinem früheren Weg und blieb stehen, als die Steinfassade mit den Schlangenköpfen in Sicht kam. Dann taumelte er mit angehaltenem Atem weiter und wartete auf den Augenblick des Schwindels, auf das Gefühl eines Erdbebens. Nichts. Er sah sich um. Celia hatte die Arme überkreuzt, sie sah ihn bleich und mit verkniffenen Lippen an. Hilgard ging zurück und versuchte es noch einmal. »Vielleicht habe ich die Stelle nur um Zentimeter verfehlt. Ein wenig mehr nach links …« Nichts. Und auch beim dritten Mal nichts. Einige andere Touristen gingen vorbei und sahen ihn seltsam an. Er ging immer wieder hin und her und schritt jeden Quadratzentimeter des Bodens ab. Der Pfad war schmal, es gab nur wenige mögliche Routen. Er verspürte kein Schwindelgefühl. Keine Pforte im All öffnete sich vor ihm. Er konnte nicht mehr in seine rechtmäßige Welt zurück.
    »Bitte, Ted. Das reicht.«
    »Nur noch einmal.«
    »Das ist peinlich. Du siehst so besessen aus.«
    »Ich möchte wieder dahin, wo ich hingehöre«, sagte Hilgard.
    Hin und her. Hin und her. Langsam kam auch er sich dumm vor. Vielleicht hatte sie recht, und seine Seele war wirklich besessen. Es gab keine Pforte. Und schließlich konnte er nicht den ganzen Nachmittag unter diesen schrecklichen Steinfratzen hin und her gehen. »Nur noch einmal«, sagte er und wandte sich dann ab, als nichts geschah. »Es funktioniert nicht. Oder es funktioniert nur dann, wenn das andere Ich gleichzeitig mit hindurchgeht. Und das zu bewerkstelligen wäre unmöglich. Wenn ich ihm nur eine Nachricht hinterlassen könnte … ich könnte sie an einen Felsen binden und durch die Pforte werfen, um ihm mitzuteilen, daß er morgen früh Punkt neun Uhr hier sein soll …«
    »Gehen wir«, sagte Celia.
    »Na gut. Ja.« Er ließ sich gebrochen und niedergeschlagen von ihr über den Tempelvorplatz zu dem wartenden Taxi führen. Sie fuhren im hellen Wahnsinn des Stoßzeitenverkehrs von Mexico City zurück und sprachen kaum. Ihr Hotelzimmer hatte kein Doppelbett, sondern zwei einzelne Betten. Auch gut, dachte er. Er spürte ein Vakuum zwischen sich und dieser fremden Frau, die glaubte, daß sie seine Ehefrau war. Sie nahmen ein kärgliches Mahl in einem kleinen Restaurant in Zona Rosa ein und gingen früh zu Bett, und noch vor Tagesanbruch machten sie sich auf den Weg zum Flughafen.
    »Vielleicht kehrt deine Erinnerung zurück, wenn du erst wieder in deinem vertrauten Zuhause bist«, sagte sie.
    »Vielleicht«, antwortete er.
     
    Doch das Apartment in der 85th bedeutete ihm nichts. Es war eine hübsche Wohnung im dreißigsten Stock und offensichtlich ein Vermögen wert, und auch die Möbel waren wunderschön, aber es war die Wohnung von Fremden, die die Bücher, Kleider und Schätze von Fremden enthielt. Unter den Büchern befanden sich viele, die auch er besaß, die Kleider paßten ihm, und auch die meisten Gemälde entsprachen seinem Geschmack. Es war in etwa, als befände man sich in der Wohnung eines Zwillingsbruders. Aber er ging hilflos und mit wachsender Panik von Zimmer zu Zimmer und überlegte, wo sich seine Unterlagen befanden, seine kleine Sammlung von Erinnerungen an seine Jugend, seine Erstausgaben, seine Sammlung peruanischer Töpferkunst. Illusionen? Phantomerinnerungen an ein nicht existentes Leben? Er war von allem abgeschnitten, was er als real erachtet hatte, und das erschreckte ihn. Im Telefonbuch von Manhattan fand er keinen Theodore Hilgard in der Third Avenue und auch keine Galerie Hilgard. Das Universum hatte diesen Ted Hilgard verschluckt.
    »Ich habe Judith angerufen«, sagte Celia, »und ihr berichtet, was sich zugetragen hat. Sie möchte dich gleich morgen früh sehen.«
    Er war oft bei Judith in der Rockefeller University gewesen, die nur wenige Blocks von seiner Galerie entfernt war. Aber dies war eine andere Judith, und ihr Büro befand sich im New York Medical in der Oberstadt, an der Grenze nach Spanish Harlem. Hilgard ging zur Fifth Avenue und stieg dort in den Bus, wobei er sich fragte, ob er hier

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