Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
Vom Netzwerk:
Judith, Ron. Hier hat das Buch von Updike einen roten Schutzumschlag. Ich betreibe Marktforschung, nicht Kunst. Das Museum hat einen anderen Springbrunnen. Alles ist fast gleich, aber nicht ganz, und je länger ich mich umsehe, desto mehr Unterschiede fallen mir auf. Ich verfüge über ein lebhaftes Vorstellungsbild von der Welt jenseits des Tores, bis hin zum kleinsten Detail. Das kann nicht einfach nur eine geistige Störung sein. Keine Störung ist so detailliert. Was kostet ein normaler Brief?«
    »Zwanzig Cent.«
    »In meiner Welt achtzehn. Siehst du? Siehst du?«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Celia müde. »Wenn du der Illusion verfallen kannst, daß du ein völlig anderer bist, dann kannst du auch leicht der Illusion verfallen, daß ein Brief achtzehn Cent kostet und nicht zwanzig. Das ändert sich ja sowieso dauernd. Was beweist das schon? Hör zu, Ted, wir werden nach New York zurückkehren. Ich werde versuchen, Hilfe zu finden. Ich möchte, daß du wieder gesund wirst. Ich liebe dich, Ted. Ich möchte dich zurückhaben. Verstehst du das? Wir haben eine herrliche Ehe geführt. Ich möchte nicht, daß sie wie ein Traum verschwindet.«
    »Es tut mir wirklich schrecklich leid, Celia.«
    »Uns wird schon etwas einfallen.«
    »Vielleicht. Vielleicht.«
    »Laß uns jetzt schlafen. Wir sind beide müde.«
    »Das ist eine gute Idee«, sagte er. Er berührte sanft ihren Oberarm, woraufhin sie erschrak, weil sie es für einen Auftakt zum Liebesspiel hielt, aber er klammerte sich nur an sie wie an einen Rettungsanker im Meer. Er drückte ihren Arm etwas, dann wälzte er sich an den Rand des Bettes. Obwohl er sehr müde war, konnte er kaum einschlafen und lag noch lange Zeit wach. Einmal hörte er sie leise schluchzen. Schließlich verfiel er aber doch in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Hilgard wäre gerne noch ein paar Tage in Oaxaca geblieben und hätte die klare Luft und die lieblichen alten Straßen genossen, in denen das Leben so ganz ohne Eile und Hektik ablief, aber Celia bestand darauf, daß sie sich sofort daranmachen sollten, seine Erinnerungen wieder herzustellen. Sie nahmen den Elf-Uhr-Flug zurück. Am Flughafen brachte Celia in Erfahrung, daß am Spätnachmittag ein Flugzeug nach New York startete, doch Hilgard schüttelte nur den Kopf. »Wir werden heute nacht in Mexico City bleiben und den ersten Flug morgen früh nehmen«, sagte er.
    »Warum?«
    »Ich möchte noch einmal nach Teotihuacan.«
    Sie stöhnte. »Um Himmels willen, Ted!«
    »Keine Widerrede. Ich werde Mexiko nicht verlassen, ohne Klarheit zu erlangen.«
    »Glaubst du wirklich, du könntest einfach wieder in eine andere Welt zurückgehen?«
    »Ich weiß nicht, was ich glaube. Ich möchte es nur probieren.«
    »Und du erwartest, daß der andere Ted Hilgard dann einfach hinter einer Pyramide hervorkommt, wenn du verschwunden bist?«
    Sie bekam langsam einen unbeherrschten Tonfall. Daher sagte er so ruhig wie möglich: »Ich erwarte überhaupt nichts. Ich möchte einfach nur nachsehen.«
    »Und warum? Was ist, wenn du in diesem angenommenen Wirbel verschwindest und er nicht herauskommt? Dann habe ich keinen von euch mehr. Antworte mir, Ted!«
    »Aha! Du glaubst also auch schon an meine Theorie.«
    »O nein, Ted, nein. Aber …«
    »Paß auf«, sagte er, »wenn meine Theorie verrückt ist, dann wird überhaupt nichts passieren. Und wenn es doch stimmt, dann kehre ich vielleicht wieder dahin zurück, wo ich hingehöre, und er kommt hierher zurück. Das weiß niemand. Aber ich kann nicht nach New York zurück. Solange ich es nicht herausgefunden habe. Laß mir meinen Willen. Ich möchte, daß du mir diesen Wunsch erfüllst. Willst du das tun, Celia?«
    Schließlich mußte sie nachgeben, woraufhin sie sich um ihr Gepäck kümmerten, ein Zimmer für die Nacht besorgten und den Rückflug am nächsten Morgen buchten. Dann mieteten sie ein Taxi, das sie nach Teotihuacan brachte. Der Fahrer sprach kaum Englisch, daher fiel es ihnen schwer, ihm begreiflich zu machen, daß sie nicht den ganzen Nachmittag bei den Pyramiden verbringen wollten, sondern nur eine halbe Stunde, wenn überhaupt. Das schien ihm unvorstellbar. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, eine anderthalbstündige Fahrt auf sich zu nehmen, um dann nur eine halbe Stunde zu bleiben, auch wenn es sich um zwei reiche Gringos handelte? Schließlich jedoch akzeptierte er ihren Wunsch. Er parkte auf dem südlichsten Parkplatz, ganz in der Nähe des Museums, dann gingen Celia und Hilgard

Weitere Kostenlose Bücher