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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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verlor an Höhe und steuerte das Landedach des Hauptgebäudes an.
    »Vielleicht kann Ihnen Mr. Bernstein helfen«, sagte der Autopilot. »Vielleicht findet er eine Lösung. Mr. Bernstein ist ein weiser Mann. Er wird wissen, was zu tun ist.«
    Aber Weisheit kann mir nicht helfen, dachte Valentin. Er kannte Christina zu gut. Wenn sie wirklich vorhatte, seine Existenz zu vernichten, dann würde es ihr gelingen. Weil sie nicht irgendein Mensch, irgendein Feind war, sondern die Frau, die er liebte.
    »Es gibt immer einen Ausweg«, sagte der Autopilot, als er den Schwebewagen landete und der Motorenlärm verklang. »Für einen Reinkarnauten.«
    Valentin sah nach draußen. Vor dem Fahrstuhlschacht in der Mitte des Landedachs stand eine grazile junge Frau mit glatten schwarzen Haaren und schmalem, blassem Gesicht, zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe; Stella Tschun, die Thanatologin des Instituts. Hinter ihr tauchte ein Mann in einem grauen UV-Schutzoverall auf, eine vertrocknet wirkende, hyänenhafte Kreatur, bei der es sich nur um Stewart Croft handeln konnte, den Generalbevollmächtigten des ASI-Konzerns.
    Valentin spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.
    Es war soweit. Hiram P. Astor, der milliardenschwere Hauptaktionär der American Space Industries, lag im Sterben. Und wartete darauf, daß ihm jemand half, den Tod zu besiegen.
    Aber das, dachte Valentin, während er die Wagentür öffnete und ausstieg, ist eine Kleinigkeit für uns Reinkarnauten.

 
3
     
    Stella Tschun begrüßte ihn mit einem stillen, teilnahmsvollen Lächeln. Sie weiß Bescheid, erkannte Valentin. Über mich und Christina, über die bevorstehende Gerichtsverhandlung, meine Vorliebe für perverse Monogamie. Wahrscheinlich weiß das ganze Institut Bescheid. Doch es kümmerte ihn nicht; nicht jetzt, wo der reichste Mann Amerikas in seiner Sterbesuite dem großen und schrecklichen Abenteuer des Todes entgegensah.
    Stewart Croft maß ihn mit einem abschätzenden Blick. Was er sah, schien ihm nicht zu gefallen. »Sie sind dieser Reinkarnaut, von dem Bernstein gesprochen hat? Dieser Valentin?«
    Valentin nickte und folgte Stella in die Liftkabine.
    »Sie sind jünger, als ich Sie mir vorgestellt habe«, knurrte Croft. Die Tür glitt zu, und der Lift setzte sich in Bewegung, fiel surrend in die Tiefe der atombombensicheren Kellergewölbe. »Ich wünschte, Bernstein hätte uns einen erfahrenen Scout zur Verfügung gestellt. Einen Profi. Keinen grünen Jungen.«
    Valentin war fünfunddreißig. Aber für Stewart Croft war jeder, der die Sechzig noch nicht überschritten hatte, ein grüner Junge.
    »Schließlich ist Mr. Astor nicht irgendwer«, fügte Croft aggressiv hinzu. »Und als Generalbevollmächtigter der ASI habe ich die Pflicht, alles in meiner Macht …«
    »Mr. Valentin ist der beste Reinkarnaut des Instituts«, unterbrach Stella. Sie lächelte noch immer; sie wußte, wie man mit wichtigen Kunden umzugehen hatte. Valentin bewunderte sie dafür. Er hatte es nie verstanden, seine wahren Gefühle hinter einer Maske zu verbergen. Aber vielleicht mußte man als Thanatologin eine Maske tragen; nicht, um die eigenen Gefühle zu verbergen, sondern um die Gefühle der Klienten abzuwehren. Eine Mauer zwischen den Lebenden und den Toten.
    Valentin seufzte und erntete von Croft einen stechenden Blick. Die Abneigung des Mannes erfüllte die enge Liftkabine wie eine Wolke übler Gase. Er fragte sich, warum ihm Croft mit solchem Widerwillen begegnete, doch er verdrängte die Gedanken. Er hatte einen Einsatz vor sich, und ein richtiger Profi konzentrierte sich nur auf den Job, nicht auf die Umstände.
    »Ich hoffe«, sagte Stewart Croft mit von Bosheit gesättigter Stimme, »Ihre privaten Schwierigkeiten lenken Sie nicht von Ihrer Arbeit ab.« Seine Augen wanderten zwischen Valentin und Stella hin und her. »Mr. Astor wäre gar nicht erfreut, sich im nächsten Leben als Göre eines Hottentottenweibs wiederzufinden. Schließlich steht in unserem Vertrag mit dem Institut ausdrücklich …«
    »Sie können jederzeit einen anderen Reinkarnauten verlangen«, sagte Valentin. Er sah Croft feindselig an. »Ich habe mich nicht danach gedrängt, für Mr. Astor den Scout zu spielen.«
    Croft murmelte etwas Unverständliches.
    »Sie können sich auf Mr. Valentin verlassen«, versicherte Stella. »Ich arbeite schon seit Jahren mit ihm zusammen. Er ist Experte. An der ganzen Westküste werden Sie keinen besseren Reinkarnauten finden.«
    Croft schnaubte. »Wenn es nach mir

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