Willkommen in der Wirklichkeit
gewisse finanzielle Unabhängigkeit – doch den Tag der offiziellen Erstaufführung erlebte er nicht mehr. Und noch ein Aspekt spielt eine Rolle: Wenn es im amerikanischen Fernsehen je eine alptraumhafte Serie gegeben hat, dann Invasion von der Wega. Und Philip K. Dick versteht es allemal, einer sowieso schon alptraumhaften, paranoiden Stimmung noch eine Steigerung zu verleihen.
Vier der sechs deutschen Beiträge wurden eigens für diese Anthologie geschrieben – von Autoren, die an verschiedenen Stellen ihre Achtung vor dem Werk Philip K. Dicks bekundet und sich auf die eine oder andere Weise – etwa als Herausgeber oder Übersetzer – auch mit dem Autor befaßt haben. Dick wurde als Prophet im eigenen Lande nie so hoch eingeschätzt wie in der Bundesrepublik oder in Frankreich – und da ist es nicht nur recht und billig, sondern eine Pflicht, aufzuzeigen, welchen Einfluß der Autor auch z.B. in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hat.
Auch die Einführung von Paul Williams, dem Nachlaßverwalter des Autors, wurde eigens für dieses Buch verfaßt. An dieser Stelle steht es mir an, Paul Williams für die Unterstützung zu danken, die er mir stets – nicht nur bei dieser Anthologie – zukommen ließ.
Mein Dank gilt auch Wolfgang Jeschke, der dieses Projekt sehr freundlich aufgenommen und es zu einer Zeit ermöglicht hat, da sich in Deutschland Anthologien nicht unbedingt von selbst verkauften.
Wer mehr über Leben und Werk von Philip K. Dick wissen möchte, sei auf mein Buch DIE WELTEN DES PHILIP K. DICK im Corian-Verlag verwiesen; auch der von mir herausgegebene Philip K. Dick-Reader KOSMISCHE PUPPEN UND ANDERE LEBENSFORMEN (Heyne-Buch 06/4328) verschafft einen Überblick über Dicks Schaffen. Schließlich sei noch auf die Philip K. Dick Society verwiesen, die u.a. ein Newsletter mit Informationen über den Autor herausgibt. Die Adresse: PKDS, P.O. Box 611, Glen Ellen, CA 95442, USA.
»Niemand weiß«, schrieb Dicks fünfte Frau Tessa zu der Berichterstattung über Dicks angeblich nur vorgetäuschten Tod, »ob in UBIK Joe Chip oder Glen Runciter starb, oder ob beide tot sind oder keiner von ihnen. Vielleicht wird man niemals wissen, ob Philip K. Dick tot ist.«
Jegliche Mythenbildung liegt dem Herausgeber fern, doch sei im Rahmen dieser Anthologie die Frage gestattet, in welchem Halb-Leben sich Philip K. Dick also befindet. In dem, das durch das Bewußtsein seiner Leser entsteht, wie Paul Williams in seiner Einführung meint? Aus welcher Welt beobachtet er uns? Und – hat er die Frage nach der Natur der Wirklichkeit nun endgültig geklärt?
Oder müßten wir die Frage anders stellen? In welchem Halb-Leben befinden wir uns – die Autoren der hier gesammelten Geschichten und ihre Leser? Und wann wird Philip K. Dick bei uns erscheinen, nur um hier zu lesen, daß er 1982 gestorben sein soll?
Und das ist dann nur der Anfang …
Uwe Anton
Copyright © 1990 by Uwe Anton
Paul Williams
Einführung
Vor vielen Jahren (ich war damals zwanzig) starb ein guter Freund von mir, ein junger Journalist, der für eine Zeitung in New York arbeitete. Nach der Beerdigung kamen die Trauergäste – es waren etwa zehn, von denen ich einige kannte und einige nicht – in einer nahegelegenen Wohnung zusammen, und wir sprachen über unseren verstorbenen Freund. Und als wir uns über ihn unterhielten, war es, als sei er noch da, nicht nur in unserer Erinnerung, sondern tatsächlich. Dieses Gefühl war erstaunlich real. In diesem Augenblick begriff ich, daß wir nicht nur in unseren Körpern leben, sondern auch im Bewußtsein der Menschen, die uns nahestehen, die unsere Anwesenheit in ihrem Leben wirklich wahrgenommen haben. Dies war keine Vorstellung, sondern eine Beobachtung – ich konnte meinen toten Freund in diesem Raum wirklich sehen, hören und fühlen.
1982 starb ein anderer guter Freund von mir, der Schriftsteller Philip K. Dick. Der persönliche Verlust war für mich groß – keine Anrufe von Phil mehr mitten in der Nacht, keine enthusiastischen Gespräche in seiner Wohnung in Südkalifornien, während er mit zwanzig verschiedenen Sorten Schnupftabak vor mir saß und mit der Zeit aus jeder Dose eine Prise nahm. Doch weil ich auch Schriftsteller bin, zerbrach ich mir den Kopf über die brillanten Werke, die Phil verfaßt und noch nicht veröffentlicht hatte, über seine Briefe, die Mainstream-Romane, die umfangreichen Notizen über die Natur der Wirklichkeit, die er zumeist spät am Abend
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