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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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kurz vor einem Kollaps zu stehen. Er versuchte zu schreien, doch nicht der leiseste Ton entwich seiner zusammengepreßten Kehle.
     
    Schmerz. Kälte Angst.
    Eine Stimme. Körperlos, allgegenwärtig. »Schlaganfall. Zur Intensivstation. Nein, warten Sie, sämtliche Reaktionen sind plötzlich wieder normal … Was ist hier los?«
    Was ist hier los? dachte Kendrick. Und: Ich muß mich bewegen. Mühsam schnappte er nach Luft.
    Was war geschehen? Allmählich klärten sich seine Gedanken. Er war ohnmächtig geworden, hatte einen Schwächeanfall erlitten. Jetzt lag er auf der Straße. Wieviel Zeit war inzwischen verstrichen?
    Er blinzelte. Es war heller Tag. Seine Füße waren gefühllos, die Hände schmerzten. Er litt unter unsäglichem Muskelkater.
    Hatte er wirklich mehrere Stunden lang bewußtlos auf der Straße gelegen? Er konnte es nicht glauben. Wieso hatte ihn niemand bemerkt? Wieso hatte sich niemand um ihn gekümmert, ihm geholfen, die Ambulanz gerufen, ins Krankenhaus bringen lassen?
    Einen Augenblick lang glaubte er, sich an den Lysolgeruch eines Krankenhauses zu erinnern, an komplizierte technische Geräte, deren Sinn und Zweck selbst ihm, keinem Berufsfremden, unverständlich blieben.
    Verwirrt schüttelte er den Kopf. Der dumpfe Schmerz, der sich in ihm breitgemacht hatte, wich allmählich einer kalten, gefühllosen Leere. Er rollte sich herum. Zwar fror er schrecklich, doch ansonsten schien er unverletzt zu sein. Er schüttelte kurz die Glieder, um festzustellen, ob er sich bei dem Sturz etwas gebrochen hatte.
    Negativ. Doch zum Aufstehen war er noch zu schwach. Seine Beine zitterten wie im Fieber, als er sich an der steinernen Hauswand emporzog. Mutlos ließ er sich wieder hinabsinken.
    Die Kälte ergriff nun vollständig Besitz von ihm. Es war ein Wunder, daß er nicht erfroren war, denn der Tageszeit nach zu urteilen, mußte er zwölf, vierzehn Stunden hier gelegen haben. Am Himmel stand eine schwache Morgensonne.
    Aber es lag nicht nur an der Sonne … Irgend etwas stimmte hier nicht, war nicht wie sonst, wie es immer war, wie es sein mußte …
    Taumelnd kam er endlich wieder auf die Füße. Er machte gefühllos ein paar Schritte; bis zu seinem Haus war es nicht mehr weit. Wenn er erst dort angekommen war, mußte er sofort telefonisch einen Kollegen aus einem der Nachbarorte konsultieren.
    Es traf Kendrick wie ein Schock, als er plötzlich erkannte, was um ihn herum nicht so war wie sonst, was die Umgebung so unwirklich und steril machte. Es war kein Geräusch zu hören! Auf ihm lastete völlige Stille. Nirgendwo der Klang einer menschlichen Stimme, keine Autos auf den Straßen – nicht einmal ein Vogel am Himmel! Die Stadt schien völlig ausgestorben zu sein. Aber das … das war unmöglich! Doch nicht morgens um acht Uhr, wenn sich all die Pendler auf den Weg zum Bahnhof machten, um zu ihren Arbeitsstätten in San Francisco zu fahren, die Mütter die Kinder in die Schulen brachten, die Geschäftsleute ihre Läden öffneten …
    Wie im Traum fand Kendrick den Weg, bis er schließlich das Haus sah, dessen Hypothek in fünf Jahren abbezahlt sein würde … das ihn vollends an dieses Kleinstadtkaff fesselte. Mit steifen Fingern wühlte er in den Hosentaschen und fand endlich seinen Schlüssel. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Haustür aufzuschließen. Statt Blut schien Eiswasser durch seine Adern zu pulsieren.
    Vorsichtig drückte er die Tür ins Schloß. Der lange Korridor, in den alle Zimmer mündeten und der schließlich in der Treppe zum Obergeschoß endete, schien nicht der eines Wohnhauses, sondern der einer riesigen Sportarena zu sein, eine unendlich lange Katakombe, in der sich eine durchdringende Eiseskälte ausgebreitet hatte. Er taumelte ins Schlafzimmer, drehte die Heizung auf und ließ sich dann in voller Kleidung auf sein Bett fallen.
    »Tessa!« krächzte er. »Wo bist du, Tessa?« Aber der Gedanke verlor sich irgendwo in der samtenen Schwärze, mit der ihn schon der Schlaf umfaßte.
     
    Als er erwachte, schienen seine Glieder vollkommen steif zu sein. Kendrick unterdrückte die aufkeimende Panik und zwang sich zur Ruhe. Er lag da und lauschte den Tönen seines Herzens, schloß die Augen und bemühte sich, logisch zu denken. Was war geschehen?
    Ein durchdringender Piepston drohte seine Gedanken zu unterwerfen. Piep … piep … piep … regelmäßig, jede Sekunde ein neues Piep … piep …
    »Alle Körperfunktionen normal«, sagte eine Stimme aus dem Nichts. Er assoziierte sie mit einem

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