Willkommen in der Wirklichkeit
erleichtert auf.
»So, damit sind alle Wanzen lahmgelegt, und die Polizei empfängt wieder vorbereitete Konversation vom Band«, sagte er.
Nachdem Florenz und Dieter ihre Jacken abgelegt hatten, führte er sie rechterhand in ein geräumiges, aufwendig ausgestattetes Wohnzimmer mit hoher Decke, in dessen Holzverkleidung mit Büchern, Comicalben und Disketten vollgestellte Regale eingelassen waren. Auf dem Glastisch vor der Sitzgarnitur hielt eine elektrische Keramikplatte eine Kanne mit Tee warm. Drei Tassen waren bereitgestellt worden. Zucker, Milch und eine Schale Biskuits standen daneben.
»Ich glaube, Sie sind doch beide Antialkoholiker«, sagte Winfried Schlicht und setzte sich auf die Kante eines Sessels. »Ich hoffe, ich habe da nichts Falsches gehört.« Er schenkte die Tassen halb voll und deutete auf das Sofa. Florenz und Dieter kamen vorsichtig der Aufforderung nach. Sie wechselten verblüffte Blicke.
»Sie wollen sicher wissen, wie ich von Ihrem Kommen erfahren konnte«, begann ihr Gastgeber schließlich. Er vermied es, sie anzusehen. »Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht genau. Aber darauf komme ich noch zurück.« Er wandte sich an Florenz. »Haben Sie den Gerichtsvollzieher noch abwimmeln können?«
Florenz sicherte sich mit einem Seitenblick zu Dieter ab. »Die Warnung kam glücklicherweise noch rechtzeitig«, nickte er.
»Sie leugnen also nicht, daß diese ganzen Aktionen von Ihnen ausgegangen sind?« fragte Dieter Wesselheimer.
Winfried Schlicht schüttelte verlegen den Kopf. »Nein, wie käme ich dazu? Ich bin gewissermaßen nur die helfende Hand eines Freundes. Ich war ihm dabei gern behilflich, denn vor einiger Zeit hat er mich auf ähnliche Weise vor Schwierigkeiten bewahrt.« Er beugte sich über die Sessellehne und holte aus einem verborgenen Regalfach ein Exemplar des Underground-Comics Friedoline hervor, das er vor seinen Gästen auf den Tisch legte. »Irgendwo muß eine undichte Stelle gewesen sein, als ich dieses Ding übersetzen und über die Akustikkoppler-Szene publizieren ließ. Ich säße schon lange wegen Verbreitung jugendgefährdender Schriften im Knast, wenn er mich nicht gewarnt hätte.«
»Von wem reden Sie?« fragte Dieter. »Nun kommen Sie schon zur Sache. Wir haben nur bis halb acht Zeit.«
»Ich weiß.« Winfried Schlicht zog den Aschenbecher zu sich heran, lehnte sich zurück und entzündete eine Zigarette. »Ich muß trotzdem etwas weiter ausholen. Was wissen Sie über Jane C. Dick?«
»Was ich über sie weiß?« Dieter hob beide Arme zu einer ratlosen Geste. »Sie wurde 1928 geboren und schrieb dieses Ding …«
»Und sie hatte einen Bruder.«
»Wenn ich mich recht entsinne, ja. Aber der ist doch schon als kleiner Junge gestorben. Kaum daß er einen Monat alt war.« Er schnaufte ungemütlich. »Worauf wollen Sie hinaus?«
Winfried Schlicht erhob sich und ging, eine Hand in der Tasche, in der anderen die Zigarette, langsam auf und ab. »Im Frühjahr vorigen Jahres erhielt ich von Mittelsleuten in den USA einen Brief zugespielt«, berichtete er, von ihnen abgewandt. »Er stammte von einem gewissen Philip K. Dick.«
»Philip K. Dick?«
»Ja, mein Gott, ich kann auch nichts dafür, aber es hat sich tatsächlich so ereignet.« Er paffte nervös an der Zigarette. »In dem Brief standen einige sehr persönliche Dinge über mich, die allenfalls meine besten Freunde wissen und darüber hinaus vermutlich nicht einmal die Polizei, dafür habe ich gesorgt. Dieser Dick behauptete, der Bruder von Jane C. zu sein.« Er ging zur Sitzgruppe zurück und machte eine Geste, als suche er nach den rechten Worten. »Ich kann Ihnen das auch nur so schildern, wie er es mir geschrieben hat. Angeblich hat er am 18. Februar 1982 einen Schlaganfall erlitten, wurde in eine Intensivstation eingeliefert und von einem zweiten Anfall ins Koma geworfen. Als er wieder aufwachte – er meinte, er müsse inzwischen tot gewesen sein –, fand er sich in den USA wieder, die genau den Schilderungen in einem seiner Romane glich. Nur über das deutsch-amerikanische SDI hatte er noch nichts geschrieben. Er nannte mir sogar den Titel des Buches. FLOW MY TEARS, THE POLICEMAN SAID oder so ähnlich.«
»Es gibt einen Lautensong von John Dowland mit dem Titel ›Flow My Tears‹«, bemerkte Dieter Wesselheimer.
»Ja, das stimmt. Und Sie wissen sicher auch, daß von diesem Song noch eine Instrumentalfassung mit dem Titel ›Lachrimae‹ existiert. Erinnert Sie das an was?«
»Ein Roman von der
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