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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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und drängten sich unter dem Vordach zusammen. Von drinnen war eine aufgeregte Frauenstimme zu hören. Ein Mann antwortete mit zurückhaltendem Murmeln.
    Winfried Schlicht wartete, bis das Paar sich beruhigt hatte, dann betätigte er den Klingeltaster.
    »Was ist denn?« rief die Frau. Dieter und Florenz bekamen mit, als sie durch die Ritzen der Jalousie lugten, wie die Tür im hinteren Teil des Ladens aufflog, gegen die Wand krachte und eine schmächtige, im Gegenlicht fast schwarze Frauengestalt mit raschen Schritten zur Tür stapfte. »Wer ist da? Die Polizei? Wenn Sie ihn haben wollen, nehmen Sie in gleich mit.«
    »Wir sind’s«, sagte Winfried Schlicht. Er tat es mit spürbarem Widerwillen. »Ich hab mit Phil videophoniert.«
    Die Frau langte an das elektronische Schloß am Türrahmen, die Tür ging auf, und sie sahen sich einem schwarzhaarigen, etwa fünfundzwanzig Jahre jungen Mädchen in Jeans und einem karierten Männerhemd gegenüber. Aus den Klammern, mit denen ihr Haar zurückgesteckt war, hatten sich einige Strähnen gelöst und hingen ihr ins Gesicht. Sie war allenfalls einssechzig groß. Ihre schmalen, zarten Gesichtszüge bebten vor Zorn. »Warum schreist du’s nicht gleich durch die Gegend?« fragte sie. »Habe ich’s denn nur noch mit Idioten zu tun? Wollt ihr mich mit allen Mitteln ins Gefängnis bringen?«
    »Laß uns rein«, murrte Winfried Schlicht. »Wir wollen mit ihm reden.«
    Die Frau wich einen Schritt zur Seite. Sie musterte Florenz und Dieter, während sie sich die Füße abtraten und höflich einen guten Abend wünschten, mit mißtrauischem Blick. »Wer sind die?«
    Schlicht erwiderte nichts und ging zielstrebig zwischen dem deckenhoch gestapelten Inventar hinter die Ladentheke, um in dem Korridor zu verschwinden. Sie hörten, wie er an irgendeine Tür klopfte.
    Die Frau schloß die Eingangstür und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen. »Da wirst du keinen Erfolg haben«, rief sie. »Der spricht schon fast den ganzen Tag mit irgendeinem Spinner in Köln. Der hat behauptet, Jesus sei gar nicht ans Kreuz geschlagen worden, sondern nach Europa ausgewandert und habe dort das Geschlecht der Merowinger gegründet. So etwas darf man ihm gar nicht erzählen. Davon kommt er nicht mehr los.« Sie lächelte verächtlich. »Ich bin Dorothea Brescott«, sagte sie schließlich zu Florenz und Dieter. »Kommen Sie mit in die Küche. Sie brauchen ja nicht hier rumzustehen.«
    Sie folgten ihr nach hinten.
    Im Schein einer Neonröhre an der Decke glänzte Feuchtigkeit auf einem weißlackierten Küchentisch. Messer, Siebe und ein Holzbrettchen lagen zwischen verschiedenen vorbereiteten Gemüsen. Auf dem Herd dampfte Wasser in einem Kessel. Dorothea Brescott setzte sich an den Tisch und begann mißmutig Zwiebeln zu hacken. Die beiden Männer blieben in einer Ecke des Zimmers stehen. Dieter Wesselheimer lehnte sich gegen den Kühlschrank, zupfte mit zwei Fingern an seinem Schnurrbart und betrachtete die Frau aufmerksam.
    Nach einigen Minuten, während der immer wieder Klopfen zu hören war, kam Schlicht nach. Er vergrub achselzuckend die Hände in den Manteltaschen. »Was ist los mit ihm?« fragte er. »Ist irgend etwas passiert?«
    »Frag mich doch nicht«, murrte Dorothea. Sie schnitt sich dabei fast in den Finger. »Es passiert laufend etwas. Wie soll ein normaler Mensch wissen, was da los ist?«
    »Hat er was gesagt?«
    »Ja. Er hat mich gebeten, ihm ein Abendessen zu machen. Dafür bin ich ja noch gut genug.« Sie warf das Messer hin, stand auf und nahm den Kessel von der Platte. »Ist von euch Kerlen eigentlich niemand imstande, seinen Verstand zusammenzuhalten? Meinst du, die Polizei wird nicht mißtrauisch, wenn du mitten in der Nacht einen Fernseher abholen willst?«
    »Das war nicht meine Idee«, sagte Schlicht. »Außerdem werden um diese Zeit eh kaum Gespräche abgehört.«
    »Ja, natürlich.« Sie zog irgendeine Schublade auf und legte einige Löffel auf die Arbeitsplatte des Küchenschranks. »Wenn ich mich auf Eure Vorsichtsmaßnahmen verlassen würde, wäre ich schon längst in einem Bundeswehrbordell gelandet. Würde mich nicht wundern, wenn in fünf Minuten die Bullen aufkreuzen.«
    Dieter Wesselheimer räusperte sich. »Werter Kollege«, wandte er sich an Winfried Schlicht. »Ohne deine Tüchtigkeit irgendwie anzweifeln zu wollen – meinst du nicht, daß es besser wäre, wenn wir den Besuch um ein paar Tage verschieben würden?«
    »Nein, bitte tun Sie das nicht«, sagte

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