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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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war also vorstellbar, daß er – wenn seine Wahrnehmungsfähigkeit dazu ausreichte – das Universum begreifen konnte, indem er lediglich sich selbst untersuchte.
    Dieser Gedanke war eigenartig.
    Aber er wußte nun, wo er war.
    Er war auf einem Handgelenk.
    Und das Handgelenk griff nach einem Telefon.
    Phil unternahm eine gewaltige Anstrengung. Er schlüpfte aus der Armbanduhr und floß dem Telefon entgegen.
    Es folgte ein Augenblick der völligen Dunkelheit und absoluten Kälte. Und dann stürzte er in das Netzwerk der Schaltkreise, die von dem Telefonhörer aus verliefen, die Telefonschnur entlang, durch den eigentlichen Apparat und seinen groben Aufbau. Er eilte weiter, durch die Mauern des Gebäudes, Kabel entlang bis zum Fernamt von Fullerton, fühlte, wie er gestreckt, mit Energie gespeist und wie eine Batterie geladen und in seiner Polarisationsrichtung gedreht wurde.
    Er kam tief im Innern eines riesigen Fernamtcomputers im Zentrum von Groß-Los Angeles zum Halt.
    Es waren andere um ihn herum.
    Tausende.
    »Willkommen, Bruder oder Schwester«, erklang eine Stimme.
    »Äh, Bruder. Mein Name ist Philip K. Dick. Ich bin heute morgen gestorben, am 2. März 1982.«
    »Natürlich. Nun, willkommen.«
    Phil sah eine gewaltige Ebene, auf der sich leuchtende Gestalten befanden, goldene Männer und Frauen, die weiße, fließende Roben trugen. Ein jeder von ihnen schien Licht, Frieden, Reinheit und Freude auszustrahlen. Bei denen, die ihm den Rücken zuwandten, sah er, daß sie mit goldenen, federartigen Schwingenpaaren versehen waren, die aus ihren Schultern sprossen. Ein jeder von ihnen trug eine goldene Harfe.
    Dann und wann schlug jemand seine Harfe an. Dabei erklang eine Kaskade unbeschreiblich schöner Töne, denen solch eine transzendente Pracht innewohnte, daß Phil mit unermeßlicher Freude erfüllt wurde, mit Freude und einer reinen ästhetischen Befriedigung, die so intensiv war, daß sie schon an den Rand des Schmerzes grenzte.
    »Wissen Sie, das spielt sich alles in Ihrem Verstand ab.«
    Phil drehte sich um. Die Worte hatte ein Mann gesprochen, der neben ihm stand.
    »Sie sagten, Ihr Name sei Phil. Lassen Sie sich von all dem hier nicht verrückt machen. Sie scheinen ziemlich genau zu wissen, wie der Hase läuft. Einige Leute, die hier ankommen, wissen noch nicht einmal, daß sie tot sind. Wir hatten neulich eine Frau, die verschied und starb, als sie gerade telefonierte; sie hielt sich am Reden und wollte einfach nicht glauben, daß sie tot war.
    Ich bin übrigens Simon Hartley. Ich bin de facto so eine Art Empfangskomitee hier. Mir macht die Arbeit Spaß; es bringt mir wirklich was, den Leuten dabei zu helfen, zu verstehen, was das hier für ein Ort ist. Wissen Sie, eine Menge Leute haben große Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen. Es freut mich, daß Sie es so gut verkraften, Phil. Sie passen genau zu uns, das kann ich jetzt schon sagen; Sie werden keine Schwierigkeiten haben und auch keine Schwierigkeiten machen. Und mehr als das können wir eigentlich kaum verlangen, was? Ha-ha!«
    Phil sah zum Himmel hoch.
    Dort stand keine Sonne, obwohl die Ebene angemessen erleuchtet schien. Es gab nicht nur keine Sonne, es gab überhaupt keinen Himmel.
    Er sah sich die Leute noch einmal an, die die Ebene bevölkerten. Es gab keine Gebäude, keine Pflanzen oder Tiere, keine Teiche oder Hügel. Nur eine perfekte geometrische Ebene mit Menschen darauf, die naive Engelskostüme trugen.
    »Herrjeh, ich hätte gedacht, es gäbe außer Menschen noch etwas zu sehen.«
    Die geometrische Ebene verwandelte sich in eine Landschaft mit sanft geschwungenen Hügeln. Die Leute breiteten sich über die Landschaft aus wie eine Menschenmenge, die sich eingefunden hatte, um zu hören, wie Jesus die Bergpredigt hielt. Bäche verliefen zwischen den Hügeln. Dattelpalmen und Weiden erhoben sich auf den grasbewachsenen Hängen.
    Simon Hartley kicherte.
    »Das ist eine tolle Landschaft, Phil. Ich habe schon ein paar ähnliche gesehen, aber noch keine war besser. Sie werden doch nicht anfangen zu predigen, oder? Sie müßten sich mal die unterschiedlichen Versionen der Seligpreisungen anhören, die man uns hier vorsetzt. Und die, die die Sache mit den Brotlaiben und den Fischen durchziehen – sie können sich nie genau daran erinnern, wie viele Brotlaibe und Fische es nun waren.«
    Er lachte bei der Erinnerung daran laut auf.
    »Und was für Fische! Guppys, Goldfische, Haie – Sie hätten die Haie sehen müssen, die wir nach dem Film

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