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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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sich in einer Mobil One-Prämien-Kugelschreiber-Uhr wieder. Was machen Sie so?«
    »Na ja, zuerst habe ich das gleiche getan wie Sie. Die Zeit gemessen. Ich dachte, das sei alles, wozu ich imstande wäre. Dann nahm mich dieser Tropf zu einer Zapfsäule mit, und sie sprach mit mir! Mein Gott! Was glauben Sie, was ich mich erschreckt habe! Ich wäre dem Trottel am liebsten direkt aus der Tasche gesprungen, hätte ich irgendwas gehabt, womit ich hätte springen können!
    Aber die Zapfsäule – es war so eine neue mit all den Lampen und so weiter – diese Zapfsäule sprach mit mir. Sagte mir, ich sollte mich beruhigen. Sagte mir, wenn heutzutage jemand stirbt, und er ist am richtigen Ort, dann stirbt er gar nicht wirklich. Man kann einfach so umwechseln. Sie wissen schon, einfach rübergleiten. Von dem alten Körper in … na ja, in eine Armbanduhr oder eine Zapfsäule oder einen Computer, wenn einer in der Nähe ist. Man kann in alles rein, was irgendwie elektronisch vernetzt ist.«
    »Herrjeh! Wer war das in der Zapfsäule, La Vonda?«
    »Keine Ahnung! Der Tölpel hatte vollgetankt und fuhr weiter. Ich hatte noch keine neue Gelegenheit, mit dieser Zapfsäule zu sprechen. Aber ich habe mit Registrierkassen gesprochen, mit ein paar dieser komischen Scanner, die man jetzt in den Supermärkten benutzt, und mit einem Computer in der Bank, in der dieser Trottel seine Schecks einlöst.
    Gestern abend habe ich mit einem kleinen übellaunigen Taschenrechner von der Größe einer Kreditkarte gesprochen. Er gehörte irgendeiner Lady, die dieser Trottel mit nach Hause genommen hat. Ich muß Ihnen ja nicht sagen, warum, oder? Na ja, er schleppte sie in sein Apartment ab, er ist alleinstehend. Sofort stellte sie die Handtasche ab. Einen Augenblick später legte er die Jacke über die Stuhllehne.«
    Phil wartete, und La Vonda fuhr fort. Es hörte sich wie ein Seufzen an, doch er begriff, daß keiner von ihnen wirklich sprach. Es fand eine Art Wechselwirkung ihrer elektrischen Felder statt, ein minimaler Energieaustausch zwischen ihnen, der Informationen enthielt, die sein Verstand in Worte zurückübersetzte. Komplett mit Akzent und Betonung.
    »Er hatte diesen komischen Kugelschreiber in der Tasche«, sagte La Vonda. »Plötzlich fühlte ich, daß dieser Taschenrechner in ihrer Handtasche war. Und kaum sah ich den Taschenrechner, da wußte ich, wer es war. Es war mein alter Freund aus der High School, mit dem ich mal gegangen bin. Können Sie sich sowas vorstellen? Ich wußte nicht einmal, daß er tot war, und da war er! Was halten Sie davon?«
    Phil dachte nach. »Na, das ist ja ganz erstaunlich, La Vonda. War er wirklich tot?«
    »Und ob! Tot wie eine Makrele! So tot wie Sie oder ich, Philip! Na ja, wir haben ordentlich einen draufgemacht, das kann ich Ihnen sagen, Phil. Während die beiden anderen rummachten, haben Marvin und ich – mein Freund hieß Marvin – haben Marvin und ich wie die Bekloppten gequatscht. Wir haben uns erzählt, wie wir gestorben sind, wir haben über alte Zeiten gesprochen, über alle unsere Schulfreunde, über Parties, auf denen wir waren.
    Ich will Ihnen was sagen, was kaum einer weiß, Philip. Als ich noch zur Schule ging, hatte ich noch den Teufel im Leib. Wir haben auf diesen Parties alles mögliche angestellt. Gin getrunken. Marihuana geraucht. Die Jungs und Mädchen haben rumgemacht, wenn Sie wissen, was ich meine.
    Doch als ich älter wurde, habe ich Jesus gefunden. Ich ging jeden Sonntag in die Kirche, und Donnerstag abends habe ich in der Frauengruppe gearbeitet, Kranke besucht und Armen geholfen. Ich habe nicht so weitergemacht wie früher.
    Aber dann bin ich gestorben, und was passierte? Ich dachte, es stünde knapp fünfzig-fünfzig, ob der Teufel mit seinen kreischenden, feuerspeienden Heerscharen kommen und mich mit seiner Mistgabel durchbohren würde.
    Und was hab’ ich bekommen? Ich bin zu ’ner Uhr in ’nem Kugelschreiber geworden! Tolle Erlösung! Tolle goldene Harfen! Ich hoffe nur, daß ich diesem Pfaffen begegne, bevor meine Batterie leer ist. Ich glaube inzwischen, es ist das Ende, das wirkliche Ende, wenn die Batterie leer wird. Aber vielleicht besorgt dieser Tölpel mir eine neue Batterie, bevor es zu spät ist, und wenn ich lange genug durchhalte, wird dieser Pfaffe sterben, und ich werde ihm irgendwo über den Weg laufen. Und dann sage ich ihm, was ich davon halte! Jesus und der Teufel, pah!«
    Phil hätte gern zustimmend genickt. Irgendwie gab ihm dieser Drang das

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