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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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und als nächstes bin ich ’ne Uhr in einem Kugelschreiber. Aber ich glaube, ich bin noch immer ich.
    Und wer sind Sie nun?«
    Er dachte darüber nach. »Sie meinen … als Sie starben, wurden Sie zu einer Uhr in einem Kugelschreiber?«
    »Genau.«
    »Und ich … hm! Mal sehen. Mein Name ist Philip K. Dick. Ich bin dreiundfünfzig. Ich saß in meinem Wohnzimmer und hörte mir den Radiosender KVCR San Bernadino an. 91,9 auf Ihrer Kurzwelle. Plötzlich war mir ein wenig übel, und mein Blick verschwamm. Ich erinnere mich, sie spielten Moses und Aron, Arnold Schoenbergs Oper aus dem Jahr 1932. Sie wird sehr selten gespielt.
    Und ich dachte über den Film nach. Wissen Sie, ich bin Schriftsteller. Man hat gerade einen Film fertiggestellt, der auf meinem Roman Träumen Roboter von elektrischen Schafen? basiert. Ich wollte ein paar Vorschläge machen. Wie sie mit der Gestalt Rachael Rosen umgehen, wissen Sie, sie ist kein Mensch, in Wirklichkeit ist sie ein Nexus-6-Android. Na ja, auf jeden Fall …«
    »Philip, halten Sie sich nicht damit auf! Sie können mir ein anderes Mal von Ihrem Film erzählen. Sie sagten, Ihnen wurde schlecht. Und dann?«
    »Tut mir leid. Lassen Sie mich nachdenken. Ich glaube, ich griff zum Telefon. Ja, ich griff zum Telefon. Wir haben in Santa Ana einen ausgezeichneten Rettungsdienst. Es gelang mir noch, den Notruf zu wählen.«
    »Ja, Sie haben um Hilfe gerufen. Aber dann müssen Sie trotzdem irgendwie gestorben sein. Zu schade.«
    »Zu schade? Ich habe mich in eine Armbanduhr verwandelt, und Sie sagen einfach ›zu schade‹?«
    »Hören Sie zu, Mann, Sie hätten sich in Nichts verwandeln können, oder der Teufel hätte Sie packen und in die Hölle zerren können, oder so. Beschweren Sie sich nicht so voreilig. Sie haben einfach Glück gehabt, daß der Notarzt etwas trug, in das Sie hineinschlüpfen konnten, als Sie gestorben sind.«
    »Ha-ha! Er hat diese Seiko nicht getragen, als er bei mir ankam. Und ich bin auch nicht im Krankenwagen gestorben. Es muß ein Sanitäter oder sowas gewesen sein. Das ist meine Seiko. Wissen Sie, wie ich sie bekommen habe? Ich ging zu einem Spiel der Angels. Habe nie im Leben was um Sport gegeben, doch ich dachte mir, das könnte eine ganz interessante Erfahrung sein. Die Angels spielten gegen die Boston Red Sox, und ich habe eine Seiko-Armbanduhr gewonnen, weil ich das Anschreibeblatt gekauft habe, bei dem das Logo der Angels über die Seiko-Anzeige gestempelt war.«
    »Schon gut, regen Sie sich doch nicht auf. Sie sind jetzt tot, also können Sie sich gleich daran gewöhnen. Und niemand kehrt von hier nach dort zurück, das kann ich Ihnen versichern. Als ich begriff, daß ich tot war, glaubte ich, der Herr Jesus würde mich im Himmel willkommen heißen, mich an seine kostbare Brust drücken und mich ins immerwährende Königreich Gottes bringen.
    Und was habe ich statt des Herrn Jesus bekommen? Einen verdammten alten Kugelschreiber! Wenn die Batterie leer ist, wird mich dieser Trottel wahrscheinlich wegwerfen, anstatt mir eine neue zu kaufen, und das wäre dann mein Ende! Aber Ihnen wird er wahrscheinlich eine neue Batterie kaufen, Philip. Vielleicht versetzt er Sie vorher noch, und Sie kriegen ’nen neuen Besitzer.«
    Und nach einer Pause: »Was werden Sie jetzt tun, Philip?«
    »Äh … ich weiß es wirklich nicht. Ich … ich lebe einfach in Santa Ana …«
    »Sie haben in Santa Ana gelebt.«
    »Ja, richtig. Mist, ich fürchte, ich kann mir den Rest von Moses und Aron nicht mehr anhören. Ich habe einen neuen Fisher-Empfänger, und der Klang war wirklich außergewöhnlich gut. Ich frage mich, wer ihn jetzt bekommt. Ich hoffe nur, daß sie ein wirklich gutes Audio-System zu schätzen wissen.
    Sie sagen, Sie sind La Vonda Jackson?«
    »Ja. Und Sie sind Philip Dick. Ich glaub’, ich hab’ Sie ein paar Mal gesehen. Ich putze jeden Mittwoch … putzte jeden Mittwoch für die Sapersteins. Sie wissen schon, Apartment 3F. Ich glaube, ich habe Ihren Namen auf dem Briefkasten gesehen.«
    »Ah ja. Ich kenne Milton und Sarah. Sie haben mich ein paar Mal auf ein Glas Wein und belegte Brote eingeladen.«
    »Ja. Na ja, ich glaube, sie müssen sich um ein neues Mädchen kümmern, das für sie saubermacht. Sollte kein Problem sein. Wir haben schwere Zeiten, heutzutage suchen ’ne Menge Mädchen Arbeit. Ist nicht mehr so wie vor ein paar Jahren.«
    »Hm. La Vonda. Darf ich Sie so nennen? La Vonda, was tun Sie die ganze Zeit über? Ich meine, Sie sind gestorben und fanden

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