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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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schickte kurze Beben durch die elastische Erde. Phil wurde von den Füßen gerissen und schlug mit dem Kopf gegen die rauhe Rinde eines Baumstamms.
    Er stürzte zu Boden und blieb auf dem Rücken liegen, beobachtete die blutroten Blitze und die schwarzen Silhouetten der kahlen Bäume. Der heiße Regen fiel noch immer.
    Wieder erklangen Donnerschläge, nahmen einen Rhythmus an. Er glaubte, ihn zu erkennen. Es war der gleiche Rhythmus, den Sid Vicious in dem Stück »Sub-Mission« der Sex Pistols mit seinem Fender-Baß gedröhnt hatte.
    Phil schloß fest die Augen. Sich gegen den Baumstamm lehnend, stand er auf. Die rauhe Rinde des Stammes wurde unter seinen Fingern schlüpfrig und weich, wie eine eingeschnürte, warme, schleimige Fleischmasse.
    Er verspürte den Drang, die Augen zu öffnen, hielt sie jedoch geschlossen und taumelte auf die Füße.
    Er unternahm eine gewaltige Geistesanstrengung, und als er die Augen öffnete, saß er im Ovalen Büro des Weißen Hauses in Washington. Er hatte die Beine ausgestreckt, und seine Arme ruhten auf dem weichen schwarzen Leder eines messingbeschlagenen Sessels. Er saß dem gewaltigen Schreibtisch des Präsidenten gegenüber.
    Der Präsident der Vereinigten Staaten, der alte Gus Schatz, saß in Hemdsärmeln hinter dem Schreibtisch. Er riß den Deckel einer Dose Löwenbräu auf.
    »Wollen Sie eine Phil?«
    »Klar«, sagte Phil. »Hätte nichts dagegen.«
    Gus öffnete eine Schublade des Präsidentenschreibtisches und holte eine gekühlte Dose Löwenbräu hervor. »Ich hoffe, Sie haben nichts gegen meine Marke.«
    Phil riß den Verschluß ab und nahm einen großen, kühlen Schluck. »Das ist wirklich gut, Gus.«
    Gus lächelte. »Danke.«
    »Ich dachte, Sie wären tot, Gus. Ich erinnere mich daran, wie Unicephalon-40 Präsident war und Sie der Stellvertreter, und wie Max Fischer übernehmen mußte, als Sie starben und Unicephalon-40 durchdrehte.«
    »Richtig«, nickte Gus. »Ich bin tot. Genau wie Sie, Phil. Ich dachte, Sie wüßten das.«
    »Hab’s vergessen.«
    »Auf diese Art sind wir alle hierher gekommen. Wenn wir das Glück hatten, in der Nähe eines Gerätes zu sterben. Irgendeines Geräts mit einem komplizierten elektrischen Netz darin. Natürlich sind wir alle hier im Telefonnetz, aber nicht alle sind im Telefonnetz. Es gibt Leute draußen in Radargeräten oder komplizierten Stereoanlagen.«
    »Das würde mir gefallen«, sagte Phil.
    »Sie können ja wechseln.« Gus lehnte sich zurück und nahm einen kräftigen Zug von seinem Löwenbräu. Er knallte die Dose auf den polierten Mahagonischreibtisch.
    Phil zuckte zusammen.
    Gus hielt die Hand vor den Mund und rülpste.
    Dabei fiel Phil auf, daß seine Fingernägel dringend gesäubert und geschnitten werden mußten.
    »Ja, Phil. Ich habe mal eine Schnecke kennengelernt, die im Computer ihres Caddys steckte. Sie wissen, daß man sie jetzt mit Computern darin baut. Ich sagte ihr, sie hätte lieber einen Datsun Maxima zu Schrott fahren sollen und keinen Caddy. Die haben jetzt Audio-Schaltkreise, diese Maximas. Ein toller Spaß. Man kann sie direkt vom Werk bestellen, mit jeder Stimme, die man will. Die eines Mannes. Einer Frau. Alle Sprachen. Können Sie sich ein sprechendes Auto vorstellen? Sicher können Sie das. Sie haben doch Stories darüber geschrieben, nicht wahr, Phil?«
    Phil wünschte sich, daß Gus Schatz verschwände. Eine Unicephalon-40-Konsole erschien auf dem Schreibtisch des Präsidenten.
    »Guten Tag, Sir oder Madam. Wie kann ich Ihnen dienen?« Die Konsole verfügte über rote, grüne, gelbe und blaue Lampen, einen Bildschirm, einen Drucker und eine Stimmkommunikations-Vorrichtung.
    »Verbinde mich mit Simon Hartley.«
    »Jawoll, Chef«, sagte der Computer.
    Auf dem Videobildschirm erschien Simon Hartleys Gesicht. Es war ein Farbbildschirm, und er saß hinter einem Ansagerpult, das dem der Sendung Eyewitness News auf Kanal 7 ähnelte.
    »Ich bin Simon Hartley«, sagte er mit einer Stimme, die die besten stimmlichen Eigenschaften von Walter Cronkite, John Chancellor, Max Robinson, Frank Reynolds und Jessica Savitch in sich vereinigte. »Und wir sind hier«, fuhr Hartley fort, »um unser neuestes Programm vorzustellen, ein Zwei-Wege-Info-Programm, das uns mit Ihnen, dem Zuschauer, verbindet.
    Unsere erste Frage heute abend kommt von Philip K. Dick, dem verstorbenen, weltberühmten Science Fiction-Autor.
    Phil?«
    »Ja«, sagte Phil. »Ich will wissen, wie lange das schon vor sich geht.«
    »Das ist eine gute

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