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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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was die Stunde geschlagen hat, Störungen hin, Störungen her, die Fresse kennt er, nur der Bart ist etwas anders gestutzt: Dieser Mann ist kein anderer als Landru, Agent der geheimnisvollen Dritten Organisation, die das Wirken von ZIR und PIF gleicherweise hintertreibt.
    »Donnerwetter«, ruft Kürten, zückt die Bureau-Schere und greift Landru an wie Zieten aus dem Busch. »Du jaschtige Minsch, du kanns enn alde Aap kee Fratzeschnihde lehre!« Wie stets, wenn er außergewöhnlich erregt ist, verfällt er in sein Platt. Der erste Stich geht des Schwankens wegen fehl, Kürten schlägt mit der Linken – »Du kriß enn in de Blötsch!« – nach Landrus Visage, haut jedoch, wieder infolge des schwankenden Bodens, knapp daneben, durch den eigenen Schwung kippt er fast übers Geländer.
    »Putain de salaud!« faucht Landru weniger vornehm, als es seinem gewohnten Auftreten als dinstinguierter Herr entspricht, offenbar möchte auch er aus seinem Herzen keine Mördergrube machen. »Attends, que j’ t’ astique les couilles!« Urplötzlich glänzt in seiner Faust ein marokkanischer Krummdolch, und Kürten kann noch im letzten Augenblick sein Handgelenk packen, aber gleichzeitig ergreift Landru das rechte Handgelenk Kürtens, beide Männer keuchen wie langjährige Todfeinde (vielleicht sind sie es auch, und sogar für alle Ewigkeit), taumeln umeinander, als tanzten sie unbeholfen Wiener Walzer, zur Musik-Untermalung (Haydns Konzert Es-dur f. 2 Hörner und Orchest.) paßt ihr Stampfen, Wiegen und Biegen jedenfalls nicht.
    »Lassen Sie mich eine volkstümliche Fabel aus Ober-Volta erzählen«, sagt Dick, schaut interesssiert zu, wie Kürten und Landru einander zu erstechen trachten. »Ein Mann fiel vom Baum und starb. Aus Kummer brachte seine Erstfrau sich um. Seine Zweitfrau ging heim, um die Kinder zu trösten. Die Drittfrau hielt die Geier von den Leichen fern. Die Viertfrau zog sich in die Einsamkeit der Wildnis zurück. Aber seine fünfte Frau beschwor einen Geist, der den Gatten von den Toten erweckte. Zur Belohnung verlangte der Geist eine seiner Frauen. Da forderte der Mann den Geist auf, ihn wieder zu den Toten zu schicken.«
    Gernsback erübrigt für diese Anekdote aus Afrika so wenig Beachtung wie Kürten und Landru, die in ihrem Bestreben, einander zur Ader zu lassen, erbittert knurren wie zwei Raubtiere, vielmehr ist er zu einer Wand-Gegensprechanlage gewankt. »Großmann!« [8] schreit er in die Anlage. »Großmann!« Im Laufschritt kommt er zurück. »Wir werden Sie in Sicherheit bringen«, verspricht er Dick. »Keine Sorge. Sie erhalten die Gelegenheit, alles genau zu durchdenken.«
    »Sie haben das Gleichnis nicht verstanden«, gibt Dick regelrecht traurig zur Antwort. »Aber das spielt wohl auch keine Rolle. Ich bin eben ein Feigling. Ich glaube, ’s liegt daran, daß ich schlichtweg zu neugierig bin, und für Tote geschieht genausowenig noch irgend etwas Neues wie für Psychotiker.«
    Es überrascht Kürten, wie kräftig der viel kleinere Franzose ist, der Lumpenhund weicht um kein Jota, doch der Kriminalrat ist unerbittlich willens, ihm sein Fett zu geben, er raubt Landru durch Reißen und Zerren das Gleichgewicht, drischt ihm mit dem linken Handrücken ein sattes Bläuchen, verliert durch ein schmerzhaftes Umknicken seines gestauchten Fußknöchels jedoch selbst die Balance, er sticht nach Landru, ratscht aber nur über einen 1 Meter langen, senkrechten Schlitz in den Trennvorhang. Landru hängt, halb auf den Knien, am Geländer, aus seiner Nase rinnt siegellackrotes Blut, er versucht sich aufzurichten, fuchtelt mit dem Krummdolch, um sich den Kommissar vom Hals zu halten.
    Mit der Linken grapscht Kürten in die rechte Seitentasche des Jacketts, während seine Rechte die große Bureau-Schere hoch zum Stoß erhebt, klaubt hastig das Schockotron heraus und verschießt ca. 500 Hertz starke elektromagnetische Wellenbündel auf Landru, der im selben Augenblick einen Shuriken nach Kürten schleudert, so daß der Kriminalkommissar ausweichen muß, und deshalb erfassen die Wellenbündel nicht Landru, sondern Dick. Indem der Wurfstern haarscharf an Kürtens Ohr vorbeisaust, kracht der korpulente Amerikaner wie ein Sack Ballast auf den Boden des Wandelgangs, sein Aufprall dröhnt wie ein Paukenschlag.
    »Kürten sind Sie verrückt?!« zetert Gernsback echauffiert, die Hände in Kopfhöhe, ihre Finger gespreizt, als hätte er vor, sich die Haare zu raufen oder Kürten an die Gurgel zu fahren. »Ist das Sabotage,

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