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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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»Wie Sie wissen, bin ich im März neunzehnhundertzweiundachtzig gestorben. Ich habe das nicht mehr mitgekriegt.«
    »Ach ja.« Gernsback verzieht das Gesicht, ohne daß man ihm ansehen kann, durch welche innere Regung sein Mienenspiel so mißrät: Niemand wird es je erfahren. »Wir stellen Ihnen alle Fachliteratur zur Verfügung. Wie erwähnt, Sie haben in dieser Beziehung eigene Ideen gehabt …«
    Nun setzt sich Dick wieder aufrecht hin, das vom Zentikraten angeschnittene Thema weckt bei ihm eine gewisse Anteilnahme. »Wahrscheinlich meinen Sie die Rede, die ich in Metz gehalten habe. Darin bin ich von einer Vielzahl lateraler, also in rechtem Winkel zur linearen Zeit angeordneten Welten ausgegangen … von einer orthogonalen Zeitachse, und daß Korrekturen von Variablen längs der linearen Zeit denkbar seien.«
    »Nach meiner Bewertung eine eher halbwissenschaftliche Hypothese«, sagt H.G. sachlich, »aber man kann nicht ausschließen, daß die PIF diese oder jene Ihrer Gedanken als …« Ein schriller Summton unterbricht den Zentikraten.
     
    Herr Professor, ich glaube, das ist hier in diesen Fällen ganz unbestimmt, ich kann das nicht bejahen, ich kann es vielleicht aber auch nicht ganz verneinen.
    Peter Kürten (Originalton)
     
    »Was ist los?« fragt Gernsback auf deutsch in die Sprechanlage. Eine Männerstimme antwortet auf französisch, zu schnell, als daß Kürten etwas verstehen könnte. »Parbleu«, ruft der Zentikrat, fährt hinterm Schreibpult hoch wie ein Kasper. »Prendre les armes!« Er eilt zur Tür. »Das muß ich sehen«, knirscht er, knöpft in der Hast sein Jackett falsch zu. Kürten und Dick blicken einander verdutzt an, während H.G. in den Flur läuft, dann folgt ihm der Kommissar.
    Durch das Gedudel der Hintergrundmusik (Georg Philip Telemanns Suite C-dur f. 3 Oboen, Streicher u. General-Baß) hört man jemanden in eine Signalpfeife stoßen, und als Kürten, langsamer gefolgt von Dick, hinter Gernsback aus dem Mittel- in den äußeren Wandelgang stürmt, lärmt das Trampeln von Stiefeln, Mannschaften rennen vorbei, auf ihre Stationen.
    »Da, Monsieur«, sagt ein Bärtiger, kleinwüchsig und von drahtiger Statur, im Teint gelblich wie ein Leberkranker, gekleidet in eine marineblaue Luftschiffer-Kluft, zum Zentikraten, der ihm das Fernglas entreißt, es an die Augen setzt. »Ärr kommt aus Rischtung Nord-wäßt.«
    »Von See her«, brummt H.G., späht in die Nacht hinaus, hinüber zur Nordsee, die man als schmalen Silberstreifen unter einer Wolkenbank sehen kann. »Naturellement.«
    Kriminalkommissar Kürten strengt sein Augenlicht an, beugt sich weit übers Geländer, bis fast an die schrägen Glasscheiben der Aussichtsfenster, doch der Lichterglanz Wilhelmshavens erschwert es ihm anfangs, am Nachthimmel etwas zu erkennen, aber schließlich bemerkt er ein scheinbar längliches Objekt, schwarz wie Tusche, das sich in einer Höhe von ungefähr 150 bis 200m nähert, und in diesem Moment ertönt das abgehackte Tack-tack eines Maxim-Maschinengewehrs, Leuchtspuren rasen auf den fremden Flugkörper zu, gleich darauf beginnt ein zweites MG zu belfern, speit dem Angreifer Eisen und Phosphor entgegen. An der Führergondel des LZ 145 ›Kapitänleutnant Heinrich Mathy‹ flammt ein Scheinwerfer auf, der Lichtkegel hascht nach dem Flugapparat, erfaßt ihn, und man sieht eine Scheibe, die düster-bedrohlich wie ein Manta heranschwebt, ohne Beleuchtung, ohne sichtbare Motoren, lautlos wie im Gleitflug, nicht sonderlich schnell, aber trotz der anscheinmäßigen Gewichtslosigkeit von wie unaufhaltsamer Massigkeit. Kürten sackt das Kinn abwärts, dergleichen hat er noch nie zu sehen bekommen, ihn packt furchtsames Erstaunen, dann Entsetzen, als aus dem, einem Flugdrachen bei Nacht vergleichbaren Luftfahrzeug ein rötlicher Strahl schießt, und neben dem Kommissar schrickt auch Dick vom Geländer zurück.
    »Eine Laser-Waffe!« Dick ringt um Atem, die Maschinengewehre hämmern unablässig, inzwischen haben ein dritter und vierter MG-Stand den Beschuß eröffnet. LZ 135 versprüht Garben, als veranstalte man ein Feuerwerk, ein Hagel von Geschossen überschüttet den Rumpf der Flugscheibe, deren Schwarz alle Helligkeit, auch die Glut der Projektile, zu verschlingen scheint, doch die Flugmaschine nähert sich unbeirrbar, es wird deutlich, daß sie beträchtliche Maße besitzt, Kürten schätzt, daß sie einen Durchmesser von gut und gerne 100 Meter hat. »Ihr Zeppelin wird brennen wie ’ne Fackel. So wie der

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