Willkommen in der Wirklichkeit
Sie Komiker, oder Hirnverbranntheit?«
Langsam rappelt sich Kürten auf, das unbeabsichtigte Ergebnis seiner Schockotron-Benutzung verblüfft ihn, paralysiert ihn fast so sehr wie Dick, aber gleichzeitig verdrießt ihn aufs neue die ständige Ungerechtigkeit des Zentikraten. »Das will ich mich nicht zu bejahen unterstehen«, erwidert er patzig, hinkt zum Geländer, stützt sich aufs Gestänge, richtet das Schockotron nochmals auf Landru, der soeben auch aufsteht, dann geduckt wie ein Panther auf Kürten zuschleicht.
Da trampeln Großmann und zwei Luftschiffer in den Wandelgang, für einen Moment ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich, und als Kürten seine Beachtung wieder Landru widmet, hat der Schuft sich französisch verabschiedet, wahrscheinlich ist er teleportiert. Kürten steckt Schockotron und Bureau-Schere weg, irgendwie enttäuscht es ihn, daß er die Möglichkeit versäumt, einmal wieder so richtig Blut rauschen zu hören, zu gerne hätte er Landru die Bureau-Schere durch die Kehle gebohrt, doch ihm ist ohnehin ziemlich blümerant zumute, er bückt sich, streift den Schuh ab, stöhnt vor Schmerz, als er den geschwollenen Fußknöchel befühlt.
»Nanu, wat is denn dat?« fragt Großmann, der sich Dicks hingestreckte Gestalt besieht. »Is er alle?« Stumpfsinn glotzt ihm aus den Augen. Seitlich über seinem Kopf schillert wie eine grünliche Seifenblase ein quasi-psionisches Relais. »Soll ik ihm zasäjen?«
»Hüten Sie sich!« Mit einem Satz steht Gernsback an der Seite des Gefällten. »Befördern Sie ihn unter allerstrengster Geheimhaltung ins Hamburger-Schulungs-Institut. Ich …«
»Zentikrat!« Eine Stimme krächzt aus dem Lautsprecher der Wand-Wechselsprechanlage. »Der feindliche Flugapparat kommt zurück.«
»Beeilung, Mensch!« raunzt H.G. den Großmann an. »Er muß schnellstens fort. Seilen Sie sich mit ihm im Spähkorb ab. Und keine Fisimatenten.«
»Himmelkreuzschwerenotnochmal, ik weeß zwar jar nicht, watse meen, aba ik bin keene Nulpe, ik rieche den Kitt schon.« Kraftvoll faßt Großmann zu – »Jestattense …« –, wuchtet Dick unter den Schultern hoch. Die beiden Luftschiffer packen die Beine des Ohnmächtigen, der sich in seiner Paralyse tragen läßt wie ein Bügelbrett. Zu dritt verschwinden sie mit Dick ins Innere des Luftschiffs, dessen Maschinengewehre just wieder zu rattern beginnen.
Kürten bemerkt, wie der Zentikrat auf Informationen aus seinem so seltsam violetten quasi-psionischen Relais lauscht, zuletzt nickt. »Die Orbital-Station hat die Lumpen im Visier.« Mit einemmal erblickt er den Kriminalkommissar, er stutzt, als hätte er ihn vergessen. »Was stehen Sie noch da rum? Machen Sie sich an die Verfolgung dieses verräterischen Franzmanns!«
Beleidigt beschließt Kürten, ihn keiner Antwort zu würdigen; statt dessen dreht er seinem Vorgesetzten unhöflich den Rücken zu, humpelt am Geländer beiseite wie ein Greis oder Kriegsinvalide, er tattert leicht, manchmal fühlt er sich in der Tat, als bräuchte er einen Gehstock. »Hat sich das Subjekt Landru auf spatialer oder temporaler Achse entfernt?« erkundigt er sich halblaut bei seinem quasi-psionischen Relais, das unter anderem auch die Partikel-Strömungen längs eines imaginären Koordinatenkreuzes der Raum-Zeit-Union überwacht.
Transfer erfolgte auf Temporalachse, lautet die Auskunft des quasi-psionischen Relais. Transitionsdaten: Plus sechs Stunden, vier Minuten, siebzehn Sekunden.
Kriminalkommissar Kürten wundert sich nicht über die Minuten und Sekunden, ihm ist klar, daß sie lediglich eine durchs Überhasten des Transfers verursachte Ungenauigkeit sind; er aktiviert die Mentaltrigger des quasi-psionischen Relais und veranlaßt seine Teleportation um 2,5 km südwestwärts sowie seinen Temporaltransfer an Landrus neue zeitliche Lokation. Er sieht noch, wie draußen schlagartig ein grelles Aufblitzen die Nacht nahezu taghell erleuchtet, bevor er im Gleißen eines hyperenergetischen Abstrahlphänomens von Bord des LZ 135 verschwindet.
Es ist 6 Stunden, 4 Minuten und 17 Sekunden später, als Dezikrat Kürten innerhalb einer Nanosekunde in der Wilhelmshavener Innenstadt rematerialisiert, so früh am Morgen ist es noch, daß Küstennebel durch die malerischen Sträßchen wallt, und nur ein räudiger Gassenhund wird Zeuge seines Materialisierens, das Tier fletscht die Zähne, verdrückt sich jedoch um die nächste Ecke. Kürten hält kurz Umschau, latscht zu einer Trinkhalle, einem kleinen, aus Holz
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